Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 354
Findet der Gerichtsvollzieher im Rahmen der Sachpfändung gegen den Schuldner Urkunden auf, die eine Forderung oder ein Leistungsrecht beweisen, ohne dass das Papier selbst Träger des Rechtes ist, so kann der Gerichtsvollzieher diese Urkunden, bzw. Unterlagen im Rahmen der so genannten Hilfspfändung, (vorläufig) in Besitz nehmen, obwohl die Zwangsvollstreckung in die zugrunde liegende Forderung nach den Bestimmungen der Forderungspfändung erfolgt.
Rz. 355
Die Zulässigkeit der Hilfspfändung ergibt sich sowohl aus § 830 Abs. 1 S. 2 ZPO als auch aus § 836 Abs. 3 S. 2 ZPO. Sie hat ihren Niederschlag in § 106 GVGA gefunden.
Rz. 356
Zeigt der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger gem. § 106 GVGA die Wegnahme der Urkunden unter Bezeichnung der gesicherten Forderung an, so muss der Gläubiger die Forderung ohne weiteres Zögern im Wege der Forderungspfändung pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.
Rz. 357
Hinweis
Kann der Gläubiger nicht binnen eines Monats dem Gerichtsvollzieher den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorlegen oder zumindest dessen Beantragung nachweisen, so muss der Gerichtsvollzieher die Urkunden dem Schuldner zurückgeben.
Rz. 358
Tipp
Der Gläubiger sollte den Gerichtsvollzieher auf die Möglichkeit der Hilfspfändung regelmäßig hinweisen, um dessen Aufmerksamkeit auch auf solche Urkunden zu lenken, die üblicherweise nicht der eigentlichen Sachpfändung unterfallen. Dies gilt erst recht, wenn der Gläubiger bestimmte Möglichkeiten der Forderungspfändung vermutet, ohne hier über hinreichend bestimmte Anhaltspunkte, wie den Namen und die Anschrift des Drittschuldners, zu verfügen.
Rz. 359
Formulierungsvorschlag
"Werden bei dem Pfändungsversuch Papiere aufgefunden, die das Bestehen einer Forderung beweisen, ohne Träger des Rechts zu sein (Sparkassenbücher, Pfandscheine, Versicherungsscheine, Depotscheine, Hypotheken, Flugscheine, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefe, welche nicht auf den Inhaber lauten), wird beantragt, diese vorläufig in Besitz zu nehmen und dies unverzüglich unter Bezeichnung der Forderung mitzuteilen (§ 106 GVGA). Dies gilt insbesondere, soweit Papiere aufgefunden werden, die .... Es wird davon ausgegangen, dass der Schuldner zumindest überfolgende Papiere... verfügen muss, weil ..."
Rz. 360
Es kann sinnvoll sein, die Hilfspfändung bei hinreichender Erkennbarkeit des Drittschuldners mit einem Auftrag zur Vorpfändung nach § 845 ZPO zu versehen. Dabei muss beachtet werden, dass nicht generell die Vorpfändung beauftragt wird, sondern gleichzeitig mitgeteilt wird, welche Pfändungen bereits ausgebracht sind, sodass in diesen Fällen die Vorpfändung entbehrlich ist.
Rz. 361
Der Gerichtsvollzieher erhält für die Wegnahme der Papiere im Wege der Hilfspfändung neben der Vollstreckungsgebühr nach Nr. 205 KV GvKostG eine weitere Gebühr in Höhe von derzeit 28,60 EUR nach Nr. 221 KV GvKostG.
Für den Rechtsanwalt gehört die – ggf. auf seinen Antrag erfolgte – Hilfspfändung nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG zur Pfändung der sich hieraus ergebenden Forderung, sodass er zunächst für die Veranlassung der Sachpfändung eine 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nebst der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG und der Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG erhält. Veranlasst er aufgrund der erfolgten Hilfspfändung sodann eine Maßnahme der Forderungspfändung, so erhält er eine weitere 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, die zugleich seine Tätigkeit im Rahmen der Hilfspfändung abgilt.