Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 434
Die Regelung des § 814 ZPO hat durch das Gesetz über die Internetversteigerung in der Zwangsvollstreckung, das am 5.8.2009 in Kraft getreten ist, eine wesentliche Änderung erfahren. Nach § 814 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann die Versteigerung wie bisher als öffentliche Versteigerung vor Ort stattfinden, während nach § 814 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nun auch die Versteigerung als allgemein zugängliche Versteigerung im Internet über eine Versteigerungsplattform erfolgen kann.
Rz. 435
Die Wahl der Versteigerungsform obliegt dabei dem Gerichtsvollzieher, was nur als missglückte Regelung angesehen werden kann. Herr des Verfahrens ist grundsätzlich der Gläubiger, §§ 753, 754 ZPO, sodass diesem die Wahl gebührt. Insoweit zeigt auch die Praxis, dass das Instrument nur zurückhaltend genutzt wird, insbesondere aus den durchgeführten Verfahren aber nicht die Erkenntnis gezogen wird, dass höhere Erlöse möglich sind und deshalb auch verstärkt Pfändungen Erfolg versprechen und nicht nach § 803 Abs. 2 ZPO unterbleiben dürfen.
Rz. 436
Ungeachtet dessen, wird der Gerichtsvollzieher die Wahl nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen haben. Grundsätzlich wird danach die Versteigerungsform zu wählen sein, die den höchsten Ertrag verspricht. Aufgrund des erheblich größeren Bieterkreises bei Internetversteigerungen ist davon auszugehen, dass der Nutzung der Plattform www.justiz-auktion.de damit regelmäßig der Vorrang zu geben ist, Abweichungen dagegen begründet werden müssen. Es obliegt aber dem Gläubiger wie dem Schuldner solche Begründungen auch tatsächlich einzufordern. Gegen die Wahl des Gerichtsvollziehers steht beiden Parteien die Erinnerung nach § 766 ZPO mit dem Einwand zu, dass die Wahl des Gerichtsvollziehers ermessensfehlerhaft ist.
Rz. 437
§ 814 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bestimmt, dass – wirksam – gepfändete Sachen vom Gerichtsvollzieher öffentlich versteigert werden können. Haben mehrere Gläubiger ein Pfandrecht an der Sache erworben, so erfolgt nach § 827 Abs. 1 S. 2 ZPO von Amts wegen eine Versteigerung für alle Gläubiger gemeinschaftlich.
Rz. 438
Hinweis
Auch bei einem von einem Grundstücksmieter in Massivbauweise errichteten und fest mit einem Grundstück verbundenen zweigeschossigen Lagerschuppen kann es sich um eine bewegliche Sache handeln, wenn im zugrunde liegenden Grundstücksmietvertrag vereinbart ist, dass nach Ablauf des Mietvertrags das Eigentum an dem Gebäude nicht automatisch auf den Vermieter übergeht. Bei dem zu pfändenden und verwertenden Gebäude handelt es sich dann um einen Scheinbestandteil des Grundstücks. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass das Mietverhältnis durch Dritte fortgesetzt oder das Gebäude an Dritte verkauft wird. Hat ein Gläubiger einen Hälfteanteil der Bruchteilsgemeinschaft an dem Lagerschuppen gepfändet, ist ein Antrag auf Inbesitznahme und Versteigerung des Schuppens begründet.
Rz. 439
Der Gerichtsvollzieher bestimmt den Versteigerungstermin, wobei dieser nach § 816 ZPO nicht vor Ablauf einer Woche und nach § 92 Abs. 3 S. 3 GVGA nicht später als einen Monat nach der Pfändung stattfinden darf. Allerdings können sich nach § 816 Abs. 1 ZPO der Gläubiger und Schuldner über eine frühere Versteigerung einigen.
Rz. 440
Hinweis
Die Frist von einer Woche dient zwei Zwecken: Zum einen soll dem Schuldner Gelegenheit gegeben werden, die regelmäßig vermögensmindernde Verwertung durch die vorherige Befriedigung des Gläubigers zu vermeiden. Andererseits sollen Schuldner und Gläubiger Gelegenheit erhalten, Bietinteressenten zu gewinnen, um einen bestmöglichen wirtschaftlichen Erfolg in der Versteigerung zu erzielen.
Rz. 441
Eine frühere Versteigerung findet auch dann statt, wenn dies erforderlich ist, um die Gefahr einer beträchtlichen Wertminderung der zu versteigernden Sache oder eines unverhältnismäßigen Kostenaufwandes für eine längere Aufbewahrung abzuwenden.
Rz. 442
Hinweis
Eine beträchtliche Wertminderung ist insbesondere bei verderblichen Waren, wie Lebensmitteln, zu befürchten.
Rz. 443
Der Gerichtsvollzieher bestimmt auch den Versteigerungsort, wobei dieser nach § 816 Abs. 2 ZPO grundsätzlich in der Gemeinde liegen soll, in der die Pfändung vorgenommen wurde, jedenfalls aber in einem Ort im Bezirk des zuständigen Vollstreckungsgerichts.
Rz. 444
Auch hiervon ist allerdings in zwei Fällen eine Abweichung möglich.
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Einerseits nach § 816 Abs. 2 ZPO, wenn sich Gläubiger und Schuldner auf einen abweichenden Ort geeinigt haben. |
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Andererseits kann ein außerhalb des Bezirkes liegender Ort der Versteigerung nach § 825 Abs. 1 ZPO auch auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners ohne Einigung zwischen den Vollstreckungsparteien vom Gerichtsvollzieher festgelegt werden. In diesem Fall muss der Gerichtsvollzieher allerdings mit der Versteigerung noch mindestens zwei Wochen nach der Unterrichtung über die Ortsverlegung warten, es sei denn, die andere Vollstreckungspartei stimmt dem Antrag doch noch zu. |
Rz. 445
Hinweis
Eine Verwertung an einem anderen Ort kommt insbesondere bei der Verlegung in eine Gr...