Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 56
Die Zwangsvollstreckung beginnt mit dem Antrag des Vollstreckungsgläubigers, der Herr des Verfahrens ist und dem Beginn, Art, Ausmaß und Ende der Vollstreckung zu bestimmen obliegt. Anzurufen ist das funktionell zuständige Vollstreckungsorgan. Ist der Gerichtsvollzieher das zuständige Vollstreckungsorgan, so kann der Gläubiger den Antrag nach § 753 Abs. 2 ZPO auch über die Verteilungsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Auftrag auszuführen ist, übermitteln. Eine solche Verteilungsstelle ist bei jedem Amtsgericht mit mehr als einem Gerichtsvollzieher zur Entgegennahme und Weiterleitung von Vollstreckungsaufträgen gebildet (§ 22 GVO). Der Gläubiger kann auch bei der Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts gem. §§ 753 Abs. 2 i.V.m. § 764 ZPO beantragen, seinen Auftrag an den zuständigen GV zu vermitteln. Ein solcher Vermittlungsantrag kann bei der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts zu Protokoll abgegeben werden; das Protokoll ist an die Geschäftsstelle des zuständigen Vollstreckungsgerichts gem. § 129a ZPO zu übersenden. Die Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts gibt den Auftrag an die Verteilungsstelle oder an den Gerichtsvollzieher (wenn eine Verteilungsstelle nicht eingerichtet ist) weiter (§ 22 Abs. 2 GVO). Ist der Auftrag, dessen Vermittlung bei der Geschäftsstelle eines Vollstreckungsgerichts beantragt ist, nicht im Bezirk dieses Amtsgerichts auszuführen, so ersucht die angegangene Geschäftsstelle diejenige des zuständigen Vollstreckungsgerichts um die begehrte Mitwirkung bei der Beauftragung des zuständigen Gerichtsvollziehers. Auch dies gilt bei einem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
Rz. 57
Der Antrag bedarf grundsätzlich keiner Form. Dieser Grundsatz erfährt allerdings insoweit eine Durchbrechung als der Gesetzgeber das Bundesministerium der Justiz mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung verbindliche Formulare einführen kann. Bis zum 22.12.2022 galt die zum 1.9.2012 in Kraft getretenen Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV), die verbindlichen Formulare für den Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses, eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen Unterhaltsforderungen und eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen gewöhnlicher Geldforderungen vorsah. Mit der Gerichtsvollzieherformularverordnung (GVFV) wurde zum 1.4.2015 der verbindliche Auftrag an den Gerichtsvollzieher eingeführt. Mit der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) wurden die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung des Jahres 2012 und die Gerichtsvollzieherformular-Verordnung des Jahres 2015 aufgehoben, um eine neu konzipierte und umfassende und einheitliche Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) eingeführt. Die neue ZVFV wurde am 21.12.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet und gilt seit dem 22.12.2022. Inzwischen wurde mit der Verordnung zur Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 24.11.2023 (nachfolgend 1. ÄndVO ZVFV) der Termin zur Verbindlichkeit der Formulare vom 1.12.2023 auf den 1.9.2024 verschoben. Mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung wurden im Layout neue Formulare mit einer überschaubaren Zahl von Änderungen eingeführt (nachfolgend 2. ÄndVO ZVFV). Diese Formulare dürfen ab dem 1.9.2024 und müssen ab dem 1.10.2025 genutzt werden. Gleichzeitig können die "alten" Formulare nach der ZVFV 2012 und der GVFV 2015 nach Maßgabe des § 6 ZVFV 2022 noch – nach der 1. ÄndVO ZVFV – bis zum 30.8.2024 genutzt werden.
Rz. 58
Hinweis
Soweit nicht anders wird von den Formularen nach der ZVFV vom 16.12.2022 von den "aktuellen Formularen" und von den Formularen nach der 2. ÄndVO ZVFV vom 24.11.2024 von den "neuen Formularen" gesprochen.
Rz. 59
Die bisherigen Formulare nach der GVFV 2015 und nach der ZVFV 2012 mussten aufgrund einer Vielzahl von gesetzlichen Änderungen an geänderte Rechtsvorschriften angepasst werden. Ziel des Verordnungsgebers ist es darüber hinaus, die Formulare weitestgehend einheitlich und benutzerfreundlicher zu gestalten sowie die Texteingabefelder mit Blick auf die digitale Einreichung im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs zu optimieren. Zudem erhalten die Formulare, soweit aus Sicht des Verordnungsgebers möglich, ein einheitliches Layout. Dieses wurde mit der 2. ÄndVO ZVFV noch einmal geändert.
Rz. 60
Hinweis
Es ist davon auszugehen, dass es vor der Verbindlichkeit der Formulare nach der 2. ÄndVO ZVFV zu einer weiteren Änderung kommen wird, da die neuen Formulare das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung oder auch das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten noch nicht berücksichtigt.
Rz. 61
Anders als noch nach § 1 Abs. 2 S. 2 GVFV 2015 beschränkt sich die ZVFV in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ZVFV nicht mehr auf privatrechtliche Forderungen. Alle Vollstreckungsaufträge an den Gerichtsvollzieher unterliegen im nachfolgend beschriebenen Umfang der Nutzun...