Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 93
Nach § 750 ZPO darf die Zwangsvollstreckung beginnen, wenn dem Schuldner der Vollstreckungstitel bei Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt wird und die weiteren Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen. Es bedarf also grundsätzlich keiner Wartefrist zwischen der Zustellung des Titels und dem Beginn der Zwangsvollstreckung.
Rz. 94
Ungeachtet dessen kann sich allerdings aus dem materiellen Recht und infolgedessen aus dem Tenor des Titels ergeben, dass die Zwangsvollstreckung zeitlich betagt ist, die Vollstreckung also nicht mit der Zustellung beginnen darf. Ist also die Geltendmachung des titulierten Anspruchs vom Ablauf eines Kalendertages abhängig, so darf nach § 751 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung erst nach Ablauf des bestimmten Kalendertages beginnen.
Rz. 95
Hinweis
Wird der Vollstreckungsauftrag vorzeitig erteilt, so sind die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht notwendig und fallen dem Gläubiger zur Last. Aus diesem Grund sollte der Auftrag zur Wahrung aller Rechte erst kurz vor dem Ablauf des Tages unter ausdrücklichem Hinweis auf die betagte Forderung erteilt werden (Antragsmuster siehe Rdn 540 ff.).
Rz. 96
Der gesetzlichen Grundregel, dass eine Wartefrist nicht einzuhalten ist, liegt die Überlegung zugrunde, dass der Schuldner nach dem Erkenntnisverfahren und der Verkündung eines Urteils grundsätzlich auch mit der zeitnah folgenden Zwangsvollstreckung rechnen muss.
Rz. 97
Diese Grundannahme trifft aber nicht auf alle Vollstreckungstitel zu. Deshalb gewährt der Gesetzgeber dem Schuldner nach § 798 ZPO bei den folgenden Titeln eine Wartefrist:
Rz. 98
Zwischen der Zustellung des Titels und dem Beginn der Zwangsvollstreckung muss hier eine Frist von mindestens zwei Wochen liegen. Die Frist beginnt mit der wirksamen Zustellung des Titels und berechnet sich dann nach § 222 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 BGB, sodass sie nach Ablauf des auf die Zustellung folgenden 14. Tages endet.
Rz. 99
Der Schuldner soll so letztmalig Gelegenheit erhalten, die Vollstreckungsforderung zu befriedigen oder aber auch Vollstreckungsschutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn er glaubt – jedenfalls derzeit – zur Befriedigung nicht verpflichtet zu sein.
Rz. 100
Das Nichteinhalten dieser Frist macht die Vollstreckung nicht unwirksam oder nichtig, sondern lediglich anfechtbar. Damit bleibt der Schuldner faktisch schutzlos, da ein Erinnerungsverfahren regelmäßig keinen wirksamen Schutz mehr vermitteln kann, da der Verstoß gegen § 798 ZPO durch Zeitablauf geheilt wird. Er muss diese nach Ablauf der Wartefrist auf ein Feststellungsbegehren umstellen, wobei das Rechtsschutzbedürfnis im Einzelfall besonders begründet werden muss, wenn er den Gläubiger nicht vor Ablauf der Frist vollständig befriedigt hat.
Rz. 101
Tipp
Der Schuldner kann allerdings den Kosten der Vollstreckungsmaßnahme entgehen, wenn er den Gläubiger vor Ablauf der Wartefrist von zwei Wochen befriedigt. Die Kosten der Zwangsvollstreckung waren in diesem Fall nämlich nicht notwendig. Nicht vermeiden kann er allerdings die anwaltliche 0,3-Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV RVG, wenn er anwaltlich zur Begleichung der Vollstreckungsforderung unter gleichzeitiger Androhung der Vollstreckung aufgefordert werden musste, obwohl ihm ein angemessener Zeitraum zur Verfügung stand, um die Forderung freiwillig zu erfüllen und dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zur Verfügung stand.