Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 142
Stirbt der Schuldner, nachdem die Zwangsvollstreckung bereits begonnen hat, so kann diese nach § 779 Abs. 1 ZPO ungehindert in den Nachlass fortgesetzt werden, solange es keiner Handlung des Schuldners, wie etwa der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bedarf. Der Gerichtsvollzieher ist also berechtigt und verpflichtet, eine bereits gepfändete Sache zu versteigern. Die Kosten sind nach § 788 ZPO mit dem Hauptanspruch zu vollstrecken, auch wenn diese erst nach dem Tod des Schuldners entstanden sind.
Rz. 143
Hinweis
Für die Frage, ob die Zwangsvollstreckung i.S.d. § 779 Abs. 1 ZPO bereits begonnen hat, ist nicht auf die einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahme, sondern auf die Zwangsvollstreckung im Ganzen abzustellen.
Rz. 144
Bedarf es dagegen einer Handlung des Schuldners zur Fortsetzung der Zwangsvollstreckung oder um diese überhaupt beginnen zu können, so ist zu unterscheiden, ob die Erben bereits feststehen oder noch nicht. Solche Mitwirkungshandlungen sind beispielsweise erforderlich bei
Rz. 145
Ist dem Gläubiger bekannt, wer die Erben sind, und können diese die Erbschaft auch nicht mehr ausschlagen, so kann der Titel nach § 727 ZPO auf die Erben als Rechtsnachfolger des Schuldners umgeschrieben werden. Nach der wegen § 750 ZPO notwendigen erneuten Zustellung der so gegen die Erben neu geschaffenen vollstreckbaren Ausfertigung, kann dann gegen diese sowohl in den Nachlass als auch das Eigenvermögen der Erben vollstreckt werden.
Rz. 146
Tipp
Die Erben können ihre Haftung als Schuldner allerdings auf den Nachlass beschränken und dies dem Gläubiger mit der Vollstreckungsgegenklage der Erben nach § 785 ZPO entgegenhalten (ausführlich siehe § 14).
Rz. 147
Ist für den Nachlass ein Nachlassverwalter oder ein Testamentsvollstrecker bestellt, so bedarf es zunächst nach § 748 ZPO eines Titels gegen diese Person kraft Amtes, um in den Nachlass zu vollstrecken. Ist der Titel bereits gegen den Erblasser geschaffen worden, so kann dieser entsprechend § 749 ZPO i.V.m. § 728 ZPO auf den Testamentsvollstrecker, bzw. den Nachlassverwalter umgeschrieben werden. Nach erneuter Zustellung kann dann auch auf diese Weise in den Nachlass die Zwangsvollstreckung betrieben werden.
Rz. 148
Sind die Erben unbekannt oder ist ungewiss, ob diese die Erbschaft angenommen haben und ist auch weder ein Nachlassverwalter noch ein Testamentsvollstrecker bestellt, so kann der Gläubiger beim Vollstreckungsgericht nach § 779 Abs. 2 ZPO die Bestellung eines einstweiligen besonderen Vertreters beantragen. Nach der Bestellung ist dann die Mitwirkungshandlung durch den besonderen Vertreter zu erbringen. Der besondere Vertreter hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters, wobei sich seine Vertretungsmacht auf die umfassende Mitwirkung an der Zwangsvollstreckung beschränkt. Er hat insbesondere die notwendigen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, kann allerdings auch Rechtsmittel einlegen. Das Vollstreckungsgericht muss die Bestellung des einstweiligen besonderen Vertreters durch Beschluss aufheben, wenn ihm Umstände bekannt werden, welche die Voraussetzungen der Bestellung entfallen lassen; nur dieser Aufhebungsbeschluss führt zur Beendigung des Vertreteramtes.
Rz. 149
Hinweis
Beachtet werden muss, dass die Kosten des besonderen Vertreters Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 788 ZPO sind und daher zunächst vom Gläubiger vorgeschossen werden müssen. Für den Rechtsanwalt gehört der Antrag auf Bestellung eines solchen Vertreters nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RVG zum Rechtszug, sodass diese Tätigkeit mit der 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3310 VV RVG abgegolten ist. Beim Vollstreckungsanwalt ist sie durch die Vollstreckungsgebühr der Nr. 3309 VV RVG abgegolten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG). Gerichtsgebühren fallen nicht an.
Rz. 150
Statt des Antrags auf Bestellung eines einstweiligen besonderen Vertreters nach § 779 Abs. 2 ZPO kann der Gläubiger allerdings auch nach § 1961 BGB beim Nachlassgericht die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragen.
Rz. 151
Die Vorgehensweise des Gerichtsvollziehers bei der Zwangsvollstreckung in den Nachlass hat neben § 779 ZPO in §§ 52 ff. GVGA eine nähere Ausgestaltung erfahren.