Rz. 178
Art. 21 Abs. 2 DSGVO normiert ein umfassendes und unbedingtes Widerspruchsrecht der betroffenen Person gegen die Verarbeitung oder Nutzung ihrer personenbezogenen Daten für Zwecke der Direktwerbung. Die DSGVO selbst enthält keine Definition des Begriffs der Direktwerbung. Da sich das Widerspruchsrecht des Art. 21 Abs. 2 DSGVO jedoch ausdrücklich auf diese besonderen Zwecke beschränkt, ist eine Präzisierung der Begrifflichkeiten erforderlich. Dabei ist davon auszugehen, dass der Begriff "Werbung" im Interesse eines wirksamen Individualschutzes weit zu verstehen ist. Nach dem europäischen Werbebegriff ist Werbung "jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern." Hinzu tritt die politische, soziale oder religiöse Werbung. Nicht unter den Begriff der Werbung fallen Informationen bzw. Unterrichtungen im Rahmen bestehender Vertragsverhältnisse. Da die DSGVO nicht allgemein von Werbung, sondern spezifischer von "Direktwerbung" spricht, muss die Werbung in Form einer individuellen Kommunikation zwischen Verantwortlichem und betroffener Person erfolgen. Hierunter fallen auch das sog. Dialogmarketing (Direct-Response-Marketing) und das Database-Marketing.
Rz. 179
Macht die betroffene Person von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch, ist eine Verarbeitung für diese Zwecke ab diesem Zeitpunkt unzulässig. Wie auf das allgemeine Widerspruchsrecht ist die betroffene Person auch auf das Widerspruchsrecht in Bezug auf Direktwerbung spätestens zum Zeitpunkt der ersten Kommunikation hinzuweisen. Das Widerspruchsrecht gibt der betroffenen Person die Möglichkeit, dem Schutz ihres informationellen Selbstbestimmungsrechts Geltung zu verschaffen, indem sie über den Widerspruch umfassende Verarbeitungsverbote erwirkt.
Rz. 180
Der Widerspruch ist an den Verantwortlichen zu richten. Da es für die betroffene Person – trotz der Verpflichtung zur Informationsvermittlung gem. Art. 14 DSGVO – in der Praxis unter Umständen besonders schwierig sein kann, herauszufinden, welche anderen Stellen personenbezogene Daten im Einzelnen vom Verantwortlichen konkret erhalten haben und diese ebenfalls für Zwecke der Direktwerbung nutzen wollen, normiert Art. 19 DSGVO eine Verpflichtung des mit der Widerspruch konfrontierten Verantwortlichen, alle Empfänger, denen personenbezogenen Daten offengelegt wurden, von der Ausübung des Widerspruchsrechtes durch die betroffene Person zu unterrichten. Dies gilt, soweit es sich für den Verantwortlichen nicht als unmöglich erweist oder für ihn mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist, wofür der Verantwortliche darlegungs- und beweispflichtig ist. In Art. 19 DSGVO sucht man vergeblich den Verweis auf Art. 21 Abs. 2 DSGVO. Erwähnung findet lediglich Art. 17 Abs. 1 DSGVO, der in lit. c) für den Fall des Werbewiderspruches eine Löschungspflicht des Verantwortlichen und einen entsprechenden Löschungsanspruch der betroffenen Person normiert. Ebenso findet sich ein Verweis auf Art. 18 DSGVO und die hier in Abs. 1 lit. d) normierte Verpflichtung, bei Widerspruch der betroffenen Person unverzüglich eine Einschränkung der Verarbeitung einzuleiten, so dass auch ein Werbewiderspruch grundsätzlich eine Unterrichtungspflicht des Verantwortlichen in Bezug auf sämtliche personenbezogenen Daten, die zu Werbezwecken erhoben oder weiterverarbeitet wurden und vom Widerspruch der betroffenen Person umfasst sind, zur Folge hat. Damit ist eine in Deutschland bereits seit langem als planwidrig erkannte Regelungslücke geschlossen worden.
Rz. 181
Für den Widerspruch nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO ist keine Form vorgesehen. Er kann dementsprechend mündlich, schriftlich, in Textform, per E-Mail oder in sonstiger Weise erfolgen. Um dem mit dem Widerspruchsrecht geschützten informationellen Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen umfassend Geltung zu verschaffen, kann – wie im Rahmen anderer Verbrauchererklärungen – nicht verlangt werden, dass das Wort "Widerspruch" im Rahmen der Widerspruchserklärung ausdrücklich genannt wird. Es muss vielmehr als ausreichend angesehen werden, wenn der Betroffene – gleich auf welche Art und Weise und mit welcher genauen Formulierung – zum Ausdruck bringt, dass er die Verwendung seiner personenbezogenen Daten zum Zwecke der Direktwerbung für die Zukunft nicht weiter wünscht. Der Widerspruch wird u.a. auch dadurch hinreichend deutlich erklärt, dass Werbesendungen mit dem Vermerk "Annahme verweigert" zurückgegeben werden.
Rz. 182
Das bloße Aufbringen des bekannten Adressaufklebers "Keine Werbung bitte" reicht hingegen wohl nicht, um von einem wirksamen Widerspruch auszugehen. Gerade namentlich adressierte Sendungen sind durch die Post zuzustellen, ohne dass es auf den Inhalt der Schreiben ankommt. Wegen der Zustellpflicht erfährt der Absender (die verantwortliche Stelle) jedoch von dem Widerruf nicht, so dass ein Zugang der einseitigen, aber empfangsbedü...