a) Widerspruch gegen Verarbeitungen im Rahmen der Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse bzw. berechtigter Interessen des Verantwortlichen
Rz. 82
Die betroffene Person hat das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die aufgrund der Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse (Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO) oder aufgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO) erfolgt, Widerspruch einzulegen (Art. 21 Abs. 1 S. 1 DSGVO). Kann der Verantwortliche in einem solchen Fall keine zwingenden schutzwürdigen Gründe für die Verarbeitung nachweisen, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen oder dient die Verarbeitung nicht der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen, folgt hieraus eine Verpflichtung, die Verarbeitung mit Wirkung für die Zukunft zu beenden (Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO).
Rz. 83
In Anlehnung an das in Art. 21 Abs. 1 DSGVO geregelte Widerspruchsrecht normiert Art. 17 Abs. 1 lit. c) Alt. 1 DSGO eine Löschungsverpflichtung des Verantwortlichen. Diese soll nur bestehen, wenn keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen. Fraglich ist das genaue Verhältnis zwischen den beiden Normen. Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO normiert im Fall des Widerspruches lediglich die grundsätzliche Verpflichtung, die Verarbeitung auf Grundlage eines berechtigten Interesses bzw. in Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse mit Wirkung für die Zukunft zu beenden. Dies muss nicht zwangsläufig mit einer Löschung verbunden sein. Nach Art. 17 Abs. 1 lit. c) Alt. 1 DSGVO besteht eine generelle Löschungspflicht in Bezug auf die "mit diesem Verarbeitungszweck" verbundenen Daten. Anders als in Art. 17 Abs. 1 lit. b) DSGVO fehlt es an der Einschränkung, dass diese Rechtsfolge nur eintreten soll, wenn für die Verarbeitung – neben Art. 6 Abs. 1 lit. e) oder f) DSGVO – keine andere Rechtsgrundlage für den Verantwortlichen streitet. Selbst die Einschränkung, dass eine Löschungspflicht nicht bestehen soll, soweit die Verarbeitung mit der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen in Verbindung steht, findet sich in Art. 17 Abs. 1 l lit. c) Alt. 1 DSGVO nicht.
Rz. 84
Dieser Wertungswiderspruch ist durch Auslegung der Norm und unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention dahingehend aufzulösen, dass die Löschungspflicht nur besteht, wenn
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die berechtigten Interessen oder die wahrgenommene öffentliche Aufgabe nicht die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen (unter Berücksichtigung der von der betroffenen Person dargelegten Gesichtspunkte) und/oder |
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die Verarbeitung der von einem Widerspruch betroffenen personenbezogenen Daten durch den Verantwortlichen nicht mit der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen in Zusammenhang steht und |
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die Verarbeitung der von einem Widerspruch betroffenen personenbezogenen Daten allein auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. e) oder f) DSGVO beruht. |
b) Widerspruch gegen Verarbeitungen zu Zwecken der Direktwerbung
Rz. 85
Die betroffene Person hat das Recht, gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Direktwerbung jederzeit Widerspruch einzulegen (Art. 21 Abs. 2 DSGVO). Nach erfolgtem Widerspruch dürfen die davon betroffenen Daten "für Zwecke der Direktwerbung" nicht mehr verarbeitet werden (Art. 21 Abs. 3 DSGVO).
Rz. 86
Nach Art. 17 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 DSGVO soll der Widerspruch gegen die Verarbeitung nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO in einer Löschungspflicht des Verantwortlichen in Bezug auf die mit dieser Zwecksetzung verbundenen Daten münden.
Rz. 87
Fraglich sind Fälle, in denen die von einem Direktwerbungswiderspruch betroffenen personenbezogenen Daten noch zu weiteren Zwecken erhoben oder weiterverarbeitet werden und/oder die Erhebung und/oder Weiterverarbeitung dieser Daten auf einer anderen Rechtsgrundlage beruht, als die Direktwerbung.
Rz. 88
Herbst, sieht dies im Ergebnis nicht als auflösbar an. Er favorisiert einen Vorrang der Löschungspflichten mit dem Ergebnis, dass personenbezogene Daten, die zum Zwecke der "Direktwerbung" erhoben worden, im Fall des Werbewiderspruches zu löschen sind. Dies sei unabhängig davon, ob neben diesem Zweck noch weitere Verarbeitungszwecke bestehen. Diese träten hinter dem Werbewiderspruch zurück, so dass die betroffenen personenbezogenen Daten zu löschen wären.
Rz. 89
Dass der Gesetzgeber an einen Werbewiderspruch eine derart weitreichende Rechtsfolge knüpfen wollte, erscheint nicht vorstellbar. Es ist – entgegen der Ausführungen von Herbst – auch nicht zwingend aus dem Wortlaut der Norm ableitbar. Die Norm verweist nur auf Art. 21 Abs. 2 DSGVO und nicht (auch) auf Art. 21 Abs. 3 DSGVO. Art. 21 Abs. 2 DSGVO hat für sich gesehen – jedenfalls aus Sicht des Verantwortlichen – keinen eigenständigen Regelungscharakter. Dieser ergibt sich erst aus Art. 21 Abs. 3 DSGVO und der Rechtsfolge der Verarbeitungssperre "für Zwecke der Direktwerbung". Genau darauf ist der Widerspruch gerichtet und nur darauf kann er sich erstrecken. Es würde aus dem Gesamtzusammenhang de...