Rz. 85
Die betroffene Person hat das Recht, gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Direktwerbung jederzeit Widerspruch einzulegen (Art. 21 Abs. 2 DSGVO). Nach erfolgtem Widerspruch dürfen die davon betroffenen Daten "für Zwecke der Direktwerbung" nicht mehr verarbeitet werden (Art. 21 Abs. 3 DSGVO).
Rz. 86
Nach Art. 17 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 DSGVO soll der Widerspruch gegen die Verarbeitung nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO in einer Löschungspflicht des Verantwortlichen in Bezug auf die mit dieser Zwecksetzung verbundenen Daten münden.
Rz. 87
Fraglich sind Fälle, in denen die von einem Direktwerbungswiderspruch betroffenen personenbezogenen Daten noch zu weiteren Zwecken erhoben oder weiterverarbeitet werden und/oder die Erhebung und/oder Weiterverarbeitung dieser Daten auf einer anderen Rechtsgrundlage beruht, als die Direktwerbung.
Rz. 88
Herbst, sieht dies im Ergebnis nicht als auflösbar an. Er favorisiert einen Vorrang der Löschungspflichten mit dem Ergebnis, dass personenbezogene Daten, die zum Zwecke der "Direktwerbung" erhoben worden, im Fall des Werbewiderspruches zu löschen sind. Dies sei unabhängig davon, ob neben diesem Zweck noch weitere Verarbeitungszwecke bestehen. Diese träten hinter dem Werbewiderspruch zurück, so dass die betroffenen personenbezogenen Daten zu löschen wären.
Rz. 89
Dass der Gesetzgeber an einen Werbewiderspruch eine derart weitreichende Rechtsfolge knüpfen wollte, erscheint nicht vorstellbar. Es ist – entgegen der Ausführungen von Herbst – auch nicht zwingend aus dem Wortlaut der Norm ableitbar. Die Norm verweist nur auf Art. 21 Abs. 2 DSGVO und nicht (auch) auf Art. 21 Abs. 3 DSGVO. Art. 21 Abs. 2 DSGVO hat für sich gesehen – jedenfalls aus Sicht des Verantwortlichen – keinen eigenständigen Regelungscharakter. Dieser ergibt sich erst aus Art. 21 Abs. 3 DSGVO und der Rechtsfolge der Verarbeitungssperre "für Zwecke der Direktwerbung". Genau darauf ist der Widerspruch gerichtet und nur darauf kann er sich erstrecken. Es würde aus dem Gesamtzusammenhang der DSGVO wenig sinnvoll erscheinen, wenn die Verordnung im Rahmen des Zweckbindungsgrundsatzes explizit auf eine Mehrzahl möglicher und nebeneinanderstehender Zwecke abstellt, den Zweck der Durchführung von Direktwerbung dabei als einen legitimen Zweck bewertet und dies grundsätzlich (einwilligungsfrei) als gerechtfertigt betrachtet, dann jedoch mit Art. 17 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 DSGVO die Mehrheit von Zwecken negiert und den Verantwortlichen zur Löschung sämtlicher auch mit diesem Zweck verbundener Daten verpflichten würde. Dies hätte zur Folge, dass der Direktwerbung als "berechtigtes Interesse" und "legitimer Zweck" der Boden entzogen werden würde und jedem Verantwortlichen nur davon abgeraten werden könnte, überhaupt Direktwerbung zu betreiben. Vergegenwärtigt man sich, welche Daten zu diesem Zweck gemeinhin Verwendung finden, bedingt ihre Nutzung zu Zwecken der Direktwerbung gleichzeitig das erhebliche Risiko, die Daten gänzlich zu verlieren, obwohl sie noch für andere Geschäftszwecke benötigt werden. Der hiermit verbundene Wertungswiderspruch ist durch Auslegung der Norm und unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention dahingehend aufzulösen, dass die Löschungspflicht nur besteht, wenn die Verarbeitung eines personenbezogenen Datums allein und ausschließlich den Zwecken der Direktwerbung dient. In allen anderen Fällen führt der Widerspruch nicht zur einer Löschungspflicht des Verantwortlichen, sondern lediglich zu einer Verpflichtung zur Einschränkung der Verarbeitung dahingehend, dass die betroffenen Daten zukünftig (ex nunc) nicht mehr zu Werbezwecken genutzt werden dürfen.