Rz. 11
Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Nachlass sind die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung. Beantragt der Erbe, der Nachlassverwalter oder ein anderer Nachlasspfleger oder ein Testamentsvollstrecker die Eröffnung des Verfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund.
1. Zahlungsunfähigkeit
Rz. 12
Bei dem Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit handelt es sich um den allgemeinen Insolvenzgrund. Der Schuldner bzw. der Nachlass ist danach zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist i.d.R. anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Das Gesetz normiert in § 17 InsO damit zum einen Definition der Zahlungsunfähigkeit, zum anderen eine gesetzliche Vermutung. Der Schuldner muss demnach nicht mehr in der Lage sein, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Der BGH sieht beim Schuldner regelmäßig dann eine Zahlungsunfähigkeit als gegeben an, wenn der Schuldner 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten länger als drei Wochen nicht erfüllen kann. Zu betrachten ist hierbei das liquide Barvermögen des Schuldners, welches in Relation zu seinen Zahlungspflichten zu setzen ist. Gebundene, schwer verwertbare Vermögenswerte bleiben bei dieser Betrachtung außen vor. Der Schuldner muss also de facto "aktuell" nicht zahlungsfähig sein, obwohl er zahlungswillig ist.
Rz. 13
Zeichnet sich hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit ab, dass die Liquiditätslücke alsbald ganz oder nahezu ganz beseitigt werden wird, liegt keine Zahlungsunfähigkeit (sondern "Stockung") vor, soweit den Gläubigern ein Zuwarten zuzumuten ist. Fälligkeit i.S.d. § 17 InsO liegt dann vor, wenn die Forderung gem. § 271 BGB fällig und frei von Einwendungen und Einreden ist, also zum einen durchsetzbar ist und zum anderen vom Gläubiger auch eingefordert wird. Bei der in § 17 Abs. 2 InsO normierten gesetzlichen Vermutung handelt es sich um eine widerlegbare Vermutung. Durch eine Wiederaufnahme der Zahlungen etwa lässt sich die Zahlungseinstellung als Vermutung der Zahlungsunfähigkeit widerlegen. Auch ist die Zahlungseinstellung zu unterscheiden von einer – ggf. sogar nachvollziehbaren oder begründeten – Zahlungsunwilligkeit. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit kann daher i.R.d. gesetzlichen Vermutung auch in der Praxis häufig für insolvenzwidrige Zwecke ("Druck ausüben eines Gläubigers") seinen Missbrauch finden.
2. Drohende Zahlungsunfähigkeit
Rz. 14
Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist in § 18 InsO geregelt. Beantragt der Erbe, der Nachlassverwalter oder ein anderer Nachlasspfleger oder ein Testamentsvollstrecker die Eröffnung des Verfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit hier ein Eröffnungsgrund. Der Schuldner bzw. der Nachlass droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit droht also, wenn bei der Finanzkalkulation absehbar ist, dass die Zahlungsmittel zur Erfüllung der fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht mehr ausreichen werden. Drohende Zahlungsunfähigkeit stellt damit auf künftige Engpässe ab, während die Zahlungsunfähigkeit auf den Akutzustand abstellt.
3. Überschuldung
Rz. 15
Die Überschuldung ist ebenfalls im Nachlassinsolvenzverfahren regelmäßiger Eröffnungsgrund. Eine Überschuldung liegt allgemein im Unternehmensrecht danach vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Zu betrachten sind hier alle Vermögenswerte, einschließlich Reserven und Ansprüche. Wird danach eine positive Fortführungsprognose ersichtlich, liegt der Eröffnungsgrund nicht vor. Der Fortführungsprognose kommt also maßgebliche Bedeutung zu. Gesellschafterdarlehen werden bei der Erstellung der Liquiditätsprognose ausgeklammert, da sie nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ohnehin nachrangige Insolvenzforderungen sind, § 19 Abs. 4 InsO. Die Überschuldung lässt sich im Endeffekt aus der Bilanz eines Unternehmens herauslesen. Für den Nachlass hingegen wird man rein auf die rechnerische Überschuldung abzustellen haben, da es generell an einer günstigen Fortführungsprognose fehlen wird.