Rz. 4
Evident für die Beantwortung der Frage, ob eine Haftungsbeschränkung denkbar ist, bleibt der Zeitfaktor. Demjenigen, der rechtzeitig agiert, bietet das Gesetz diverse Möglichkeiten.
1. Ausschlagung
Rz. 5
Erkennt der Erbe rechtzeitig – bspw. weil er sich unverzüglich rechtlichen Rat eingeholt hat – die drohende Gefahr einer Haftung, besteht die Möglichkeit der Erbausschlagung. Nach den Bestimmungen der §§ 1943 ff. BGB besteht nämlich für den Erben die Möglichkeit, die Erbschaft anzunehmen. Aktiv ist dabei zwar eine Äußerung möglich, tatsächlich fällt ihm die Erbschaft jedoch erstmal vorläufig "automatisch" an. Nach § 1942 Abs. 1 BGB gilt das Prinzip des Vonselbsterwerbs. Reagiert der Erbe daher nicht oder nicht rechtzeitig, droht ernsthafte Gefahr. Der Erbfall führt dann zu einer Verbindung der Vermögensmassen des Erblassers und des Erben. Der Erbe haftet dann für die Nachlassverbindlichkeiten, zu denen nicht nur die Erblasserschulden, also Verbindlichkeiten, die noch zu Lebzeiten des Erblassers entstanden sind, sondern auch die Verbindlichkeiten gehören, die erst mit dem Erbfall entstanden sind und mit ihm im Zusammenhang stehen. Der Erbe haftet für diese Verbindlichkeiten voll und mit eigenem Vermögen unbeschränkt.
Rz. 6
Diese Berufung von Gesetzes wegen ist dabei erst einmal nur vorläufig zu verstehen. Reagiert der Erbe rechtzeitig, kann er noch etwas "retten." So bietet das Gesetz dem Erben an, die Erbschaft innerhalb von sechs Wochen auszuschlagen und den Anfall damit rückgängig zu machen. Dann entgeht er grundsätzlich einer Haftung. Ebenso kann der Erbe innerhalb der Frist von sechs Wochen den Schwebezustand des "vorläufigen Erbfalls" vorzeitig beendigen, indem er die Erbschaft annimmt. Mit Ablauf der Ausschlagungsfrist wird spätestens die Annahme der Erbschaft fingiert, sofern zuvor keine Ausschlagung wirksam erklärt wurde.
2. Anfechtung
Rz. 7
Wurde die Erbschaft angenommen und stellt sich heraus, dass der Nachlass überschuldet ist, bleibt für den Erben noch die Möglichkeit der Anfechtung der Annahme. Die Bestimmungen hierzu finden sich in den Regelungen ab §§ 1943 ff. BGB. Auch hier bestehen aber Hürden in Form von Anfechtungsgründen und -fristen.
3. Nachlassinsolvenzverfahren und Nachlassverwaltung
Rz. 8
Wurde die Erbschaft erst angenommen – im Zweifel aber auch für den stets zuletzt haftenden Staat, § 1936 BGB –, bleibt mit der Durchführung des Nachlassinsolvenzverfahrens eine weitere Möglichkeit, die Haftung zumindest zu beschränken. Die Folgen der Nachlassinsolvenz ergeben sich aus § 1975 BGB. Die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt sich nämlich nach dieser Bestimmung (nur) auf den Nachlass, wenn eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (Nachlassverwaltung) angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist. Folglich bietet das Nachlassinsolvenzverfahren einen weiteren wichtigen Grund für die Beschränkung der Haftung, die auch dann (später) noch eintritt, wenn zuvor bereits eine unbeschränkte Erbenhaftung eingetreten war.
Hinweis für den Fall der Haftungsbeschränkung
Das den Nachlassgläubigern haftungsrechtlich zugewiesene Sondervermögen bleibt von dem persönlichen Vermögen des Erben getrennt. Ein Zugriff auf das Erbenvermögen ist den Nachlassgläubigern auch nach Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens trotz einer möglicherweise nicht ausreichenden Befriedigung im Insolvenzverfahren verwehrt. § 1989 i.V.m. § 1973 BGB schützt den Erben vor der Inanspruchnahme seines Vermögens durch nicht befriedigte Insolvenzgläubiger. Die Nachlassinsolvenz ist daher auch ein Mittel zur Haftungsbeschränkung des Erben. Nach §§ 1990, 1992 BGB gilt dies auch bei der Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangelseiner die Kosten des Verfahrens deckenden Masse (§ 26 InsO); der Erbe kann sich gegenüber dem Gläubiger auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen. Gleiches gilt bei der Einstellung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 1990 BGB, § 207 InsO). Die unbeschränkte Erbenhaftung tritt jedoch dann ein, wenn der Erbe gemäß § 1994 Abs. 1 S. 2 BGB eine durch das Nachlassgericht gesetzte Inventarfrist nicht eingehalten hat, absichtlich ein unrichtiges Inventarverzeichnis erstellt (§ 2205 Abs. 1 S. 1 BGB) oder sich weigert, die eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit des aufgestellten Inventars abzugeben (§ 2006 Abs. 3 S. 1 BGB). Der Erbe kann zwar auch in diesen Fällen gemäß § 316 Abs. 1 InsO noch einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens stellen; jedoch hat dieses nur noch den Zweck, dass der Nachlass isoliert den Nachlassgläubigern und nicht den persönlichen Gläubigern zur Verfügung steht. Der Eintritt der unbeschränkten Erbenhaftung hat nach § 2013 Abs. 1 S. 1 BGB zur Folge, dass sich der Erbe nicht auf die Haftungsbeschränkungen der §§ 1975, 1989 BGB berufen kann und deswegen den Nachlassgläubigern persönlich haftet (§ 784 Abs. 1 ZPO).