1. Einholung der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung
Rz. 7
Grundsätzlich entsteht der Anspruch auf den Versicherungsschutz im Erbrecht mit dem Eintritt des Versicherungsfalls. Der Versicherungsfall muss nach Abschluss der Rechtsschutzversicherung, aber vor deren Beendigung eingetreten sein. Der Versicherungsfall ist definiert als eine den Versicherungsnehmer oder eine bei ihm mitversicherte Person betreffende Änderung der Rechtslage durch ein bestimmtes Ereignis (§ 4 ARB 2005). Wann eine solche Veränderung der Rechtslage vorliegt, ist in erbrechtlichen Angelegenheiten allerdings umstritten. Die Rechtslage wird nach der Standardliteratur dann als verändert angesehen, wenn Rechte oder Verbindlichkeiten des Versicherungsnehmers oder mitversicherter Personen in zeitlichem und adäquat kausalen Zusammenhang mit dem Ereignis neu begründet, belastet, übertragen, inhaltlich geändert oder aufgehoben werden. Als Faustregel wird man sagen können, dass Beratungsrechtsschutz zu gewähren ist, wenn durch ein erbrechtliches Ereignis eine tatsächliche Rechtsänderung für den Mandanten eingetreten ist und diese für den Mandanten eine Beratung erforderlich macht. Eine rein prophylaktische Beratung ist nicht vom Rechtsschutz umfasst.
Rz. 8
Eine Änderung der Rechtslage liegt grundsätzlich vor, wenn der Erbfall eingetreten ist.
Problematisch ist, inwieweit eine Gesetzesänderung zu einer Veränderung der Rechtslage im Sinne der eingangs genannten Rechtsschutzbedingungen führt.
Obgleich Gesetzesänderungen zu Veränderungen der Rechtslage führen, lehnen die Versicherer den Eintritt eines Versicherungsfalles ab mit der Begründung, ein Ereignis könne nur in einem konkreten tatsächlichen Geschehen gesehen werden, das die Rechtssphäre des einzelnen Versicherungsnehmers tangiere. Eine Gesetzesänderung würde nicht den einzelnen, sondern gleichzeitig viele Versicherungsnehmer in gleicher oder ähnlicher Weise treffen.
Rz. 9
Diese generelle Ablehnung ist verfehlt. Bereits Bonefeld stellte eine differenzierte Betrachtung an und führte am Beispiel des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes zum 1.4.1998, wonach § 1934a BGB ersatzlos gestrichen wurde, überzeugend aus:
Zitat
"Ein nichteheliches Kind kann fortan keinen vorzeitigen Erbersatzanspruch mehr geltend machen. Die Rechtsposition des nichtehelichen Kindes hat sich damit erheblich geändert. Nach der Gesetzesänderung ist das nichteheliche Kind zwar nunmehr gleichberechtigter gesetzlicher Erbe, das alles nützt ihm aber nicht, wenn kein Nachlass mehr vorhanden ist und sich auch keine Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche realisieren lassen. Nach der alten Regelung hatte das Kind regelmäßig bereits zwischen dem 21. und 27. Lebensjahr aber die Möglichkeit gehabt, erfolgreich Ansprüche durchzusetzen."
Wollte ein Kind die alten Rechte durch eine Klage vor dem 1.4.1998 noch sichern und sich von einem Rechtsanwalt beraten lassen, ist Rechtsschutz zu gewähren. Der Versicherungsnehmer wird hier individuell von der Änderung der erbrechtlichen Rechtslage betroffen. Des Weiteren wird auch nur ein sehr kleiner Kreis von Versicherungsnehmern, nämlich der der Nichtehelichen zwischen 21 und 27 Jahren, von der Gesetzesänderung betroffen. Die von der Versicherung gefürchtete unüberschaubare Kostenlawine kann daher gar nicht kommen.“
Rz. 10
Die generelle Ablehnung könnte nur dann richtig sein, wenn sie in den vom konkreten Versicherer verwendeten Versicherungsbedingungen eine Grundlage finden würde. In den ARB 2005 ist dies zumindest nicht der Fall, denn dort wird in keinster Weise die Einschränkung getroffen, dass das Ereignis nur den jeweiligen Versicherungsnehmer betreffen darf und/oder dass eine Gesetzesänderung kein Ereignis im Sinne der ARB darstellen kann. Solche Unklarheiten gehen klassischerweise zu Lasten des Klauselverwenders. Wird also unmittelbar durch eine Gesetzesänderung die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers in erbrechtlich relevanter Art und Weise betroffen, so ist ihm insoweit Beratungsrechtsschutz zu gewähren.
Rz. 11
Die hierbei anfallenden Gebühren sind gesondert geltend zu machen. Diese Tätigkeit des Anwalts wird durch die Gebühren im Verfahren nicht mit abgegolten. Die Einholung einer Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers ist demnach eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit. Hierauf sollte der Mandant vom Rechtsanwalt jedoch hingewiesen werden. Die Deckungsanfrage ist gem. Nr. 2300 VV RVG zu vergüten, jedenfalls dann, wenn es sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nur in der Anforderung der Deckungszusage bei dem Rechtsschutzversicherer unter Beifügung eines Entwurfs der Klageschrift erschöpft und der Deckungsschutz umstandslos bewilligt wird. Gegenstandswert sind die zu erwartenden Kosten, von denen der Auftraggeber befreit werden will, bei einem anstehenden Zivilprozess also die eigenen Kosten, die dem Gegner erwachsenen Verfahrenskosten, sowie die Gerichtskosten. Die Kosten gem. Nr. 2300 VV RVG können gegenüber der Rechtsschutzversicherung nicht geltend gemacht werden, weil der Vergütungsa...