I. Pflegefreibetrag
Rz. 120
Einem Erben, der dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt hat, steht (neben dem persönlichen Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG (siehe § 5 Rdn 1>) ein Freibetrag i.H.v. 20.000 EUR zur Verfügung, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist, § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Der Pflegefreibetrag gilt auch bei Erwerben unter Lebenden.
II. Voraussetzungen der Steuerbefreiung
1. Erbringung der Pflegeleistung im persönlichen oder privaten Bereich
Rz. 121
Voraussetzung für die Gewährung des Pflegefreibetrags ist, dass die unentgeltlich oder gegen zu geringes Entgelt erbrachten Pflege- oder Unterhaltsleistungen im persönlichen oder privaten Bereich erbracht wurden. Der Freibetrag setzt keine Pflegebedürftigkeit i.S.d. § 14 Abs. 1 SGB XI oder einen Pflegegrad voraus.
2. Verpflichtung des Erwerbers gegenüber dem Erblasser
Rz. 122
Nach dem BFH ist ein Freibetrag für Pflegeleistungen auch dann zu gewähren, wenn der Erbe gegenüber dem Erblasser gesetzlich pflege- bzw. unterhaltsverpflichtet ist, konkret aber wegen fehlender Bedürftigkeit des Erblassers keine Pflege- bzw. Unterhaltsleistungen zu gewähren hat. Der Pflegefreibetrag ist mithin nicht (mehr) für Erwerber ausgeschlossen, die gesetzlich zur Pflege (z.B. Ehegatten/Lebenspartner nach § 1353 BGB) oder zum Unterhalt (z.B. Ehegatten nach § 1360 BGB; Verwandte in gerader Linie nach § 1601 BGB) verpflichtet sind. War ein Erbe also gesetzlich zur Pflege oder zur Unterhaltsleistung gegenüber dem Erblasser verpflichtet, scheidet die Gewährung des Pflegefreibetrags nicht aus.
Hinweis
Mithin sollte in jedem Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit eine Unterhaltsverpflichtung konkret bestanden hat. Denn gerade in den Fällen, in denen dem Erblasser aufgrund seiner nicht unerheblichen Vermögenswerte – wegen fehlender eigener Bedürftigkeit i.S.d. § 1602 Abs. 1 BGB – kein Unterhaltsanspruch zusteht, spielt der Pflegefreibetrag eine Rolle. Nur wenn ein entsprechend werthaltiger Nachlass vorliegt, wird im Einzelfall der persönliche Freibetrag überschritten werden. Im Verhältnis zu Dritten, gegenüber denen nur ein Freibetrag i.H.v. 20.000 EUR zur Verfügung steht, kommt wiederum eine Unterhaltspflicht i.S.d. § 1601 BGB schon nicht in Betracht, so dass die Gewährung des Freibetrags hieran nicht scheitern kann.
III. Bewertung der Pflegeleistung
Rz. 123
Unentgeltlich erbrachte Pflegeleistungen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG sind nicht nur die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführten Hilfeleistungen im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung, sondern weitere, nicht von dieser Vorschrift erfasste Leistungen, wie z.B. die Erledigung von Botengängen und schriftlichen Angelegenheiten, Besprechungen mit Ärzten, Vorsprachen bei Behörden und insbesondere auch die seelische Betreuung des Erblassers. Die Rechtsprechung legt im Rahmen der konkreten Bezifferung einen großzügigen Maßstab an. In der Praxis kann etwa eine Schätzung der Pflegeleistung mit einem Stundensatz i.H.v. 11 EUR in Anlehnung an den gleich lautenden Ländererlass der obersten Finanzbehörden vom 4.6.2014 in Betracht kommen.
Hinweis
In jedem Falle sollte eine Dokumentation der in Betracht kommenden Tätigkeiten erfolgen, um der erforderlichen schlüssigen Darlegung und Glaubhaftmachung nachzukommen.
IV. Pflegeleistungen gegen Entgelt
Rz. 124
Werden Pflegeleistungen von nahen Angehörigen (teilweise) gegen Entgelt erbracht, wird regelmäßig ein Dienstverhältnis i.S.d. § 611 BGB anzunehmen sein mit der Folge, dass die Einnahmen grundsätzlich einkommensteuerpflichtig sind. Daher ist es oftmals nicht sinnvoll, die Entstehung der Erbschaftsteuer dem Grunde nach dadurch zu vermeiden, dass die letztwillige Zuwendung ganz oder teilweise als Entgelt für eine erbrachte Pflege angeordnet wird. Zwar liegt dann eine als Erblasserschuld gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit vor (siehe § 3 Rdn 102 ff.>), allerdings unterfällt die Zuwendung dann der Einkommensteuer, was insbesondere bei einem Erwerb von Grundstücken erhebliche einkommensteuerliche und grunderwerbsteuerliche Folgen haben kann.