Prof. Dr. Maximilian A. Werkmüller
Rz. 5
Obwohl Banken grundsätzlich einen leichteren Zugang zu potenziellen Abnehmern der Dienstleistung haben als Rechts- und Steuerberater, kann von der befürchteten Dominanz der Kreditinstitute auf dem Testamentsvollstreckungsmarkt auch Jahre nach der BGH-Entscheidung keine Rede sein. Dies dürfte mehrere Gründe haben.
Rz. 6
An erster Stelle steht eine strategische Überlegung. Anders als etwa bei Anwälten oder Steuerberatern ist das mit der Durchführung der Testamentsvollstreckung zu vereinnahmende Honorar nicht die primäre oder zumindest nicht die alleinige Zielsetzung. Als Haupttriebfeder für Kreditinstitute, sich mit der Vermögensnachfolge ihrer Kunden im Allgemeinen und der Testamentsvollstreckung als einem Leistungsbestandteil daraus zu befassen, wird meist die langfristige Sicherung der Kundenverbindung insbesondere im Segment der vermögenden Privatkunden angegeben. Ziel ist demnach die Fortsetzung der Kundenbeziehung mit den Vermögensnachfolgern der verstorbenen Kunden. Dies können hinterbliebene natürliche Personen ebenso wie bereits existierende oder – im Fall der Stiftung – noch zu gründende juristische Personen sein. Zumindest im Fall der erbenden natürlichen Personen ist die Stellung als Testamentsvollstrecker aber nicht zwingend die beste Voraussetzung für die reibungslose Fortsetzung der Kundenbeziehung mit den Erben. Nimmt der Testamentsvollstrecker seine Aufgabe ernst und orientiert sich weitestmöglich am Erblasserwillen, so wird sein Verhalten in vielen Fällen nicht in vollem Umfang mit den Interessen der Erben kongruent sein. In streitbehafteten Erbfällen können seine Existenz an sich und seine Handlungen zu Kontroversen zumindest mit einzelnen Erben führen. Spätestens bei der Vergütungsfrage treten die gegenläufigen Interessen von Testamentsvollstrecker und Erben offen zu Tage. Die Bank in der streitbehafteten Rolle der Testamentsvollstreckerin wird sich somit häufig schwerer tun, die Erben als Kunden zu gewinnen oder zu halten, als ein "neutrales" Institut.
Rz. 7
Ein weiteres wichtiges Argument, das die geschäftlichen Ambitionen von Banken und Sparkassen im Testamentsvollstreckungsmarkt bremst, ist die Sorge vor den damit verbundenen Risiken, insbesondere Haftungs- und Reputationsrisiken. Eine kreditgebende Bank hat in aller Regel kein Interesse daran, in der Rolle der Testamentsvollstreckerin neben der Kredit- auch die unternehmerische Verantwortung für Geschäfts- und Firmenkunden zu übernehmen. Während sich die Haftungsrisiken durch gute Qualifikation der ausübenden Mitarbeiter, eine gute Organisation des Geschäftsfeldes oder zumindest durch eine entsprechende Versicherung eindämmen lässt, dürften zudem Fehler oder Kontroversen bei der Ausübung einer Testamentsvollstreckung bei Banken oder Sparkassen wesentlich schneller an die Öffentlichkeit gelangen als bei weithin unbekannten Freiberuflern. Gerade im Bereich des weitgehend unkontrollierten postmortalen Vermögensmanagements für Kunden steht eine gesteigerte Sensibilität der Medien und der Öffentlichkeit für einen unterstellten oder tatsächlichen Missbrauch zu vermuten. Weiterhin sind die Anforderungen an die institutsinternen Grundsätze und Verfahren zur Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen Bank und Kunde sowie zur Beeinträchtigung von Kundeninteressen den letzten Jahren deutlich gestiegen – und damit auch der Überwachungsaufwand. Auch und gerade die Testamentsvollstreckung, bei der die persönliche Interessenwahrung durch die Gegenpartei von vornherein ausgeschlossen ist, muss in die Compliance-Organisation der Bank, also die Überwachung des regelkonformen Verhaltens, eingebunden werden. Ein weiterer, wirtschaftlicher Grund für die Zurückhaltung der Banken liegt in den hohen initialen und laufenden Organisations- und Qualifizierungsinvestitionen, denen zwar sichere, aber zeitlich kaum planbare Rückflüsse gegenüberstehen. Ein weiteres Argument kommt hinzu: Selbst auf den ersten Blick vermeintlich "einfach" anmutende Nachlässe können sich in der Praxis der Testamentsvollstreckung als unverhofft komplex und zeitaufwändig herausstellen. In vielen Fällen dürfte daher die dem Institut nach Abschluss aller Vollstreckungshandlungen verbleibende Marge eher "dünn" ausfallen, was dann im Ergebnis eher gegen als für eine Investition in Ausbildung und Schulung der Mitarbeiter spricht.