Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
A. Allgemeines
Rz. 1
In vielen Fällen wird die Vergütung nach dem RVG der Tätigkeit des Anwalts bzw. den Interessen des Mandanten nicht gerecht. Ist die gesetzliche Vergütung z.B. im Hinblick auf Umfang, Schwierigkeit und Risiko der Angelegenheit für den Anwalt nicht kostendeckend, hat dieser folglich ein legitimes Interesse, mit dem Mandanten ein höheres Honorar zu vereinbaren. Handelt es sich bei den Aufträgen um eine gleichförmige Routineangelegenheit, kann auch eine geringere Vergütung vereinbart werden. Der weite Rahmen der Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) sowie der Schwellenwert von 1,3 in der Anm. zu Nr. 2300 VV RVG für durchschnittlich umfangreiche bzw. schwierige Angelegenheiten tun ein Übriges, um die Vergütungsvereinbarung zunehmend an Bedeutung gewinnen zu lassen. Die Regelung in § 4a RVG bietet dem Anwalt seit dem 1.7.2008 auch die Möglichkeit, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren.
Rz. 2
Insbesondere durch die Neufassung des § 34 Abs. 1 RVG zum 1.7.2006 und den Wegfall der Gebührentatbestände für Beratung, Gutachtenerstattung und Mediation besteht nunmehr seit Jahren ein erhöhtes praktisches Bedürfnis für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen. Ohne eine solche Vereinbarung riskiert der Anwalt, bei Tätigkeiten für einen Verbraucher lediglich die Höchstbeträge nach § 34 Abs. 1 RVG – 190 EUR für eine Erstberatung bzw. 250 EUR für eine Beratung – abrechnen zu können. Darüber hinaus wird eine Berechnung des Honorars nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches notwendigerweise pauschalierend bleiben und den Besonderheiten des Einzelfalls kaum gerecht werden können.
Rz. 3
Universell anwendbare Vergütungsvereinbarungen gibt es nicht – alle bringen ihre individuellen Vor- und Nachteile mit sich. Die folgenden Ausführungen sollen daher die Grundsätze darstellen und Anregungen für die eigene Gestaltung in der Praxis bieten.
B. Überschreiten der gesetzlichen Vergütung
I. Zulässigkeit
Rz. 4
Sowohl für die gerichtliche als auch für die außergerichtliche Tätigkeit in der Unfallschadensregulierung kann der Anwalt eine Vergütung vereinbaren, die höher liegt als nach dem RVG.
Ist der Anwalt allerdings im Wege der Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe beigeordnet, ist eine solche Vergütungsvereinbarung ausgeschlossen. Denn nach § 8 BerHG i.V.m. § 3a Abs. 4 RVG ist eine Vereinbarung über die Vergütung nichtig, wenn Beratungshilfe gewährt wurde. Gleiches gilt nach § 3a Abs. 3 S. 1 RVG für eine Vereinbarung, nach der ein im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Anwalt für die von der Beiordnung erfasste Tätigkeit eine höhere als die gesetzliche Vergütung erhalten soll.
II. Berechnung
Rz. 5
In den meisten Fällen ist Inhalt der Vergütungsvereinbarung entweder ein Pauschal- oder ein Zeithonorar. Ein Pauschalhonorar vergütet die gesamte Tätigkeit bis zum Abschluss der betreffenden Angelegenheit mit einer festen Summe, ohne dass der konkrete Arbeitsaufwand eine Rolle spielt. Bei einer solchen Pauschalvergütung muss der Auftrag möglichst exakt umrissen werden. Ansonsten läuft der Anwalt Gefahr, Mehrarbeit leisten zu müssen, die in seiner ursprünglichen Kalkulation nicht enthalten war.
Rz. 6
Hinweis
Ein Pauschalhonorar kann Probleme mit sich bringen, wenn die Angelegenheit vorzeitig endet. Insofern empfiehlt es sich, in der Vereinbarung bestimmte Tätigkeiten mit einem pauschalen Teilbetrag anzusetzen oder eine Abrechnungsregelung für den Fall der vorzeitigen Beendigung zu treffen.
Rz. 7
Dagegen wird bei einem Zeithonorar der tatsächliche Aufwand nach einem festgelegten Stundensatz vergütet. Es ist freilich unbedingt ratsam, die Vergütung nach kürzeren Zeitabschnitten als einer vollen Stunde zu berechnen. Nach Ansicht des OLG München und des OLG Düsseldorf verstößt eine formularmäßige 15-Minuten-Zeittaktklausel nämlich wegen Benachteiligung des Mandanten gegen § 307 BGB. Diese Entscheidung ist vom OLG Schleswig kritisiert worden: Die Klausel als solche sei nicht zu beanstanden, vielmehr müsse ein eventueller Missbrauch der dadurch eröffneten Abrechnungsmöglichkeit im Einzelfall geprüft werden (sog. Ausübungskontrolle). Während der BGH die revisionsrechtliche Überprüfung einer solchen Klausel bislang mit der Begründung abgelehnt hatte, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele, die keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung habe, hat er mit Urteil vom 13.2.2020 entschieden, dass jedenfalls gegenüber Verbrauchern eine formularmäßige Klausel wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben unwirksam ist, welche den Rechtsanwalt berechtigt, für angefangene 15 Minuten jeweils ein Viertel des Stundensatzes zu berechnen. Zu beachten ist, dass die Zeittaktklausel als Preisnebenabrede im Grundsatz der AGB-rechtlichen Kontrolle zugänglich ist, was bei Vereinbarungen über die Höhe der Vergütung im Regelfall gerade nicht der Fall ist. Der Anwalt muss daher darauf achten, dass die Klausel transparent formuliert ist und den Mandanten nicht unangemessen benachteiligt.
Rz. 8
Hinweis
Hansens empfiehlt aus Gründen der Vorsicht die Vereinbarung einer minutengenauen Abrechnung.
Rz. 9
De...