a) Einführung
Rz. 62
Beim Nachvermächtnis bestimmt der Erblasser, dass der Vermächtnisgegenstand zunächst dem Vorvermächtnisnehmer zugewendet wird. Nach dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder Zeitpunkts fällt es dem Nachvermächtnisnehmer zu. Das Nachvermächtnis ist in § 2191 BGB geregelt. Es folgt dabei sehr eingeschränkt den Regelungen der Nacherbfolge. Nach § 2191 Abs. 2 BGB finden die Vorschriften der §§ 2102, 2106 Abs. 1, 2107 BGB und des § 2110 Abs. 1 BGB Anwendung. Eine Surrogation nach Maßgabe des § 2111 BGB findet nicht statt. Ein Auskunftsrecht nach § 2127 BGB besteht ebenso nicht.
Die Anordnung des Nachvermächtnisses sollte ausdrücklich erfolgen. Nach §§ 2102 Abs. 2, 2191 Abs. 2 BGB ist beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung, im Zweifel von einem Ersatzvermächtnis auszugehen. Der Nachvermächtnisnehmer wird sodann mit dem Erbfall direkt Ersatzvermächtnisnehmer. Das Nachvermächtnis ist ein Untervermächtnis, worauf die Vorschriften der §§ 2186 bis 2188 BGB Anwendung finden. Der Nachvermächtnisnehmer erhält einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Vorvermächtnisnehmer auf Übergabe des vermachten Gegenstandes. Der Erblasser bestimmt, wann es anfällt. Insoweit handelt es sich um ein aufschiebend bedingtes oder befristetes Vermächtnis gem. § 2177 BGB. Ist kein Zeitpunkt für den Anfall bestimmt, fällt es gem. §§ 2191 Abs. 2, 2106 Abs. 1 BGB mit dem Tod des ersten Vermächtnisnehmers an.
Nach § 2179 BGB hat der Nachvermächtnisnehmer ein Anwartschaftsrecht auf den späteren Erwerbsanspruch. Dieses gestattet ihm die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches gegen den Vorvermächtnisnehmer, falls diesen ein Verschulden trifft. Er ist vor dem Nachvermächtnisanfall nur über die §§ 160, 162, 2177, 2179 BGB geschützt. Das Anwartschaftsrecht ist – sofern § 2174 BGB nicht entgegensteht – übertragbar, verpfändbar und vererblich.
b) Gegenstand des Nachvermächtnisses
Rz. 63
Inhalt des Nachvermächtnisses ist der Gegenstand des Vorvermächtnisses. Bei einem Inbegriff von Sachen kann dies problematisch sein. Bei der vermächtnisweisen Zuwendung von Geld- oder Barvermögen ist es genügend, wenn dem Vorvermächtnisnehmer eine gleich hohe Summe zugewendet wird. Zulässig ist auch ein Nachvermächtnis auf den "Überrest", d.h. dass der Nachvermächtnisnehmer noch das Überbleibsel des Vermächtnisses erhält. Bei einem Grundstückvermächtnis ist der Anspruch des Nachvermächtnisnehmers nach dem Eintritt des Erbfalls vormerkungsfähig, wenn der Vorvermächtnisnehmer gem. § 39 GBO im Grundbuch eingetragen ist. Ist der Gegenstand des Vermächtnisses bereits zu Lebzeiten auf den Vermächtnisnehmer übertragen worden und bestimmt der Erblasser in seinem Testament über genau diesen Gegenstand ein Nachvermächtnis, so ist dieses Nachvermächtnis wirksam angeordnet worden.
c) Unterschied zur Vor- und Nacherbschaft
Rz. 64
Hat der Erblasser den Wunsch, dass nur ein Gegenstand hintereinander verschiedenen Personen zu übertragen ist, ist die Konstruktion des Vor- und Nachvermächtnisses zu wählen.
Der Nachvermächtnisnehmer erhält im Gegensatz zur Vor- und Nacherbfolge nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Vorvermächtnisnehmer, der in den Nachlass des Vorvermächtnisnehmers fällt. Somit hat der Nachvermächtnisnehmer keine dem Nacherben vergleichbare Rechtsposition. Der Nachvermächtnisanspruch wirkt nicht dinglich. Der Nachvermächtnisnehmer tritt dadurch in Konkurrenz zu anderen Nachlassgläubigern des Vorvermächtnisnehmers.
Muster 6.10: Nachvermächtnis
Muster 6.10: Nachvermächtnis
Im Wege des Vorvermächtnisses vermache ich meiner Frau _________________________ meine Eigentumswohnung in _________________________ eingetragen im Wohnungsgrundbuch von _________________________ Nr. _________________________ Flurstück Nr. _________________________. Meine Tochter _________________________ bestimme ich hinsichtlich der vorbezeichneten Eigentumswohnung zur Nachvermächtnisnehmerin. Das Nachvermächtnis fällt mit dem Tod meiner Ehefrau an. Ich vermache des Weiteren die Verpflichtung der Vorvermächtnisnehmerin mit, nach dem Erbfall das Anwartschaftsrecht meiner Tochter hinsichtlich der vorbezeichneten Eigentumswohnung durch eine Vormerkung im Grundbuch sichern zu lassen. Das Anwartschaftsrecht meiner Tochter ist weder vererblich, verpfändbar noch übertragbar. Sollte meine To...