aa) Einführung
Rz. 156
Ist ein Vermächtnis auf Geldzahlung oder auf Wertpapiere gerichtet, ist zu prüfen, ob nicht eine Klage im Urkundsprozess gem. §§ 592 ff. ZPO zu erheben ist. Der Vermächtnisnehmer erhält im Wege eines beschleunigten Verfahrens einen ohne Sicherheitsleistung aufgrund § 708 Nr. 4 ZPO vollstreckbaren Titel. Allerdings ergeht nur ein Vorbehaltsurteil, das eventuell im Nachverfahren wieder aufgehoben wird.
bb) Voraussetzungen des Urkundsprozesses
Rz. 157
Streitgegenstand muss gem. § 592 ZPO ein Anspruch auf Zahlung oder auf Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere sein. Dem gleichgestellt ist nach § 592 S. 2 ZPO ein Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld, einer Rentenschuld oder einer Schiffshypothek. Der Urkundsprozess ist jedoch nicht bei der Herausgabe bestimmter Gegenstände möglich. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass alle anspruchsbegründeten Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Urkunden können alle Schriftstücke sein, egal ob sie öffentlicher oder privatrechtlicher Natur, ob sie handschriftlich oder maschinengeschrieben oder ob sie unterzeichnet sind oder nicht. Daraus folgt bei Vermächtnisansprüchen, dass die notarielle letztwillige Verfügung genauso wie die handschriftlich erstellte letztwillige Verfügung sowie die Niederschrift der Testamentseröffnung als Urkunde ausreichend sind. Es ist auch die einseitige Verfügung von Todes wegen ausreichend, da es im Urkundsprozess unerheblich ist, ob der Schuldner – der Erbe – bei der Erstellung der Urkunde mitgewirkt hat.
Unterschiede bzgl. der Beweiskraft bestehen jedoch bei notariellen und handschriftlichen letztwilligen Verfügungen. Das notarielle Testament ist eine Urkunde i.S.v. § 415 ZPO. Somit gilt die gesetzliche Vermutung der Richtigkeit der Urkunde, solange nicht alle Möglichkeiten ausgeräumt sind, die irgendwie gegen die Richtigkeit des Urkundeninhalts sprechen. Für die handschriftliche letztwillige Verfügung gelten die §§ 416, 440 ZPO. Ob der Urkundsprozess überhaupt zulässig ist, ist immer von Amts wegen zu prüfen. Er scheidet bereits aus, wenn die Höhe des Vermächtnisses nicht als bestimmter Betrag festgelegt ist. Dies liegt z.B. nicht bei einem Quotenvermächtnis vor, das vom Wert des Nachlasses abhängt und der Nachlass erst durch Sachverständigengutachten zu ermitteln ist. Der Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist im Urkundsprozess nicht möglich.
cc) Problem der Vorlage von Originalurkunden
Rz. 158
Im Urkundsprozess ist der Kläger verpflichtet, der Klageschrift die Originalurkunde oder zumindest eine beglaubigte Abschrift der Urkunde beizulegen. Das Original muss dabei spätestens im Termin vorgelegt werden. Dies gilt nicht, wenn die anspruchsbegründeten Tatsachen, die sich aus der Urkunde ergeben, nicht bestritten werden. Bestreitet die Gegenseite im Urkundsprozess bei vermächtnisweise zugewendeten Zahlungsansprüchen das Vorhandensein der Urkunden und die sich daraus ergebenden Tatsachen, ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten für den Vermächtnisnehmer. Nach der Testamentseröffnung befinden sich die Originale der notariellen oder handschriftlichen letztwilligen Verfügung in der Nachlassakte. Das Original kann demnach nicht vorgelegt werden. Die Beiziehung der Nachlassakte wird daran scheitern, dass im Urkundsprozess die Berufung auf Gerichtsakten eines anderen Spruchkörpers ausgeschlossen ist. Auch darf das Nachlassgericht die Originale der Urkunden nicht herausgeben.
Praxishinweis
Der Erblasser räumt dem Vermächtnisnehmer bei einer notariell erstellten letztwilligen Verfügung das Recht ein, sich vom Notar eine notarielle Abschrift erstellen zu lassen, die nach § 47 BeurkG die Urschrift ersetzt und somit gem. § 593 Abs. 2 S. 1 ZPO vorgelegt werden kann. Es bietet sich alternativ die Einsetzung des Vermächtnisnehmers als Testamentsvollstrecker mit der Aufgabe der Vermächtniserfüllung an.