1. Einführung
Rz. 6
Die Problematik der Abgrenzung Vermächtnis – Erbeinsetzung ergibt sich i.d.R. in den letztwilligen Verfügungen, die von Erblassern ohne ausreichende juristische Beratung erstellt worden sind. Dort gilt es abzugrenzen, ob durch die Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes es sich um eine Erbeinsetzung, d.h. das automatische Einrücken in die Stellung des Erblassers mit dessen Tod, oder um ein Vermächtnis handelt. Dabei sind die Bezeichnungen "Vermächtnis" und "Erbe" bzw. "bekommt" oder "erhält" nicht immer ausschlaggebend, da der juristische Laie normalerweise die Begriffe "vererben" und "vermachen" als gleichbedeutend ansieht.
2. Auslegungsregeln
Rz. 7
Das alles entscheidende Kriterium bei der Zuwendung einzelner Gegenstände ist das Verhältnis des Wertes des Gegenstandes zum Gesamtwert des Nachlasses. Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB besagt in diesem Zusammenhang als allg. Auslegungsregel, dass eine Zuwendung des gesamten Vermögens oder eines Bruchteils des Vermögens an eine oder mehrere Personen grundsätzlich eine Erbeinsetzung darstellt. Im Gegensatz hierzu steht der § 2087 Abs. 2 BGB, der bestimmt, dass im Zweifel die Zuwendung einzelner Gegenstände keine Erbeinsetzung sein soll, selbst wenn der Bedachte als "Erbe" bezeichnet wird. Zu beachten ist dabei, dass zunächst nach den allg. Auslegungsgrundsätzen gem. §§ 133, 157 BGB der Erblasserwille über die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses und die Wertverhältnisse der in den Nachlass fallenden Gegenstände zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgebend sind. Änderungen im Vermögen nach der Errichtung der letztwilligen Verfügung bis zum Erbfall sind jedoch für die Auslegung relevant, wenn der Erblasser mit dem Vermögenszuwachs im Zeitpunkt der Verfügung bereits gerechnet hatte. Bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung müssen auch außerhalb dieser Urkunde liegende Umstände berücksichtigt werden, die auf die Willensrichtung des Erblassers in diesem Zusammenhang schließen lassen, insbesondere Äußerungen über den Inhalt der letztwilligen Verfügung. Für die Unterscheidung kommt es ebenso darauf an, ob die in der Verfügung von Todes wegen bedachten Personen nach den Vorstellungen des Erblassers in seine Rechtsposition eintreten sollen. Dabei ist von wesentlicher Bedeutung, wer den Nachlass regeln und die Nachlassverbindlichkeiten tilgen soll und ob der Erblasser dem Bedachten unmittelbare Rechte am Nachlass verschaffen wollte.
Die Rspr. hat Ausnahmefälle für die Anwendbarkeit des § 2087 Abs. 2 BGB aufgestellt. Wendet der Erblasser dem Bedachten das Hauptvermögen oder den wesentlichen Teil seines Vermögens zu, ohne den Bedachten als Erben zu benennen, so ist trotzdem davon auszugehen, dass er den Bedachten als Alleinerben einsetzen wollte. Hat der Erblasser sein gesamtes Vermögen nach Quoten unter den Bedachten aufgeteilt, ist darin eine Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen und eine dem Wert der Zuwendung entsprechende Erbeinsetzung zu sehen. Ausnahmefälle gibt es jedoch laut Rspr. auch im Falle der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB. Der Erblasser nimmt z.B. eine Zuwendung des Vermögens als Ganzes vor, obwohl er nur eine vermächtnisweise Zuwendung wollte. Dies sind die Fälle des Universal- und des Quotenvermächtnisses.