1. Einführung
Rz. 171
Ist die Vermächtniszuwendung erbvertraglich bindend bestimmt worden, gibt § 2288 BGB dem Vermächtnisnehmer einen Verschaffungsanspruch bzw. einen Anspruch auf Wertersatz. Ansonsten könnte der Erblasser die vertragsmäßige Bindung durch eine Veräußerung einfach umgehen. Ist der Verschaffungs- oder Wertersatzanspruch beim Erben nicht realisierbar, hat bei unentgeltlicher Zuwendung bzw. Belastung des Vermächtnisgegenstandes der Vermächtnisnehmer einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gem. § 2288 Abs. 2 S. 2 BGB gegenüber dem Beschenkten. Dieser Anspruch entspricht in wesentlichen Zügen dem Anspruch des Vertragserben nach § 2287 BGB, wobei allerdings im Hinblick auf den Verschaffungs- und Wertersatzanspruch ein erweiterter Schutzbereich des vertragsmäßigen Vermächtnisnehmers besteht. Der Anwendungsbereich des § 2288 BGB umfasst ebenso Geld- oder sonstige Gattungsvermächtnisse. Zu beachten gilt, dass § 2288 BGB auf einseitige Verfügungen keine Anwendung findet (§ 2299 BGB). Bei gemeinschaftlichen Testamenten findet § 2288 BGB analog Anwendung. Bei gemeinschaftlichen Testamenten nach den ZGB der ehemaligen DDR wird eine analoge Anwendung jedoch verneint.
Praxishinweis
Der Anspruch gegen den Erben verjährt nach neuem Recht nach drei Jahren gem. §§ 195, 199 BGB, der subsidiäre Anspruch gegen den Beschenkten drei Jahre nach dem Erbfall aufgrund des neu geregelten § 2287 Abs. 2 BGB.
2. Voraussetzungen des Anspruchs gegen die Erben
a) Willkürliche Vernichtung (§ 2288 Abs. 1 BGB)
Rz. 172
Nach § 2288 Abs. 1 BGB hat der Erbe dem vermächtnisweise Bedachten den Gegenstand zu beschaffen, wenn dieser durch den Erblasser zerstört, beiseite geschafft oder beschädigt wurde. Gleiches gilt, wenn die Sache durch Verarbeitung, Vermischung oder Verbrauch untergegangen ist. Ist die Beschaffung unmöglich, dann ist der Erbe zum Wertersatz verpflichtet. Hat der Erblasser die diesbezügliche Handlung eines Dritten wissentlich gebilligt, kann der Vermächtnisnehmer sich ebenfalls auf § 2288 Abs. 1 BGB berufen. Eine analoge Anwendung des § 2288 BGB liegt vor, wenn der Erblasser den Tatbestand durch ein Unterlassen herbeigeführt hat.
b) Veräußerung und Belastung (§ 2288 Abs. 2 S. 1 BGB)
Rz. 173
Bei Belastung bzw. Veräußerung des Gegenstandes durch den Erblasser steht dem Vermächtnisnehmer stets ein Anspruch auf Beseitigung der Belastung (§ 2165 BGB) und auf Verschaffung des Gegenstandes (§ 2170 BGB) zu. Dies gilt bei entgeltlichen und unentgeltlichen Handlungen. Dieselben Rechtsfolgen treten ein, wenn der Erblasser sich schuldrechtlich zu einer Veräußerung verpflichtet hat. Der Erbe muss Wertersatz leisten, wenn die Verschaffung des Gegenstands bzw. die Beseitigung der Belastung unmöglich ist. Der Wertersatz wird durch die Höhe des Verkehrswerts des Vermächtnisses im Zeitpunkt des Anfalles des Vermächtnisses bestimmt.
3. Voraussetzungen der subsidiären Haftung gegen die Beschenkten
Rz. 174
Nach § 2288 Abs. 2 S. 1 BGB haftet zunächst der Erbe bei unentgeltlicher Veräußerung bzw. Belastung des Gegenstands. Ist der Anspruch gegenüber dem Erben nicht durchsetzbar, auch kein Anspruch auf Wertersatz, dann haftet der vom Erblasser Beschenkte nach Bereicherungsrecht aufgrund § 2288 Abs. 2 S. 2 BGB. Dieser Anspruch entspricht dem Anspruch aus § 2287 BGB und ist auf Herausgabe des verschenkten Gegenstands nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zu richten.
4. Beeinträchtigungsabsicht
Rz. 175
Voraussetzung für einen Anspruch aus § 2288 BGB ist, dass eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers vorliegt. Ob diese gegeben ist, ist anhand einer objektiven Missbrauchskontrolle zu klären. Es stellt sich die Frage, ob der Erblasser seine Verfügungsfreiheit zu Lasten des Vermächtnisnehmers missbraucht hat. Kriterium der Prüfung ist wie bei § 2287 BGB das sog. lebzeitige Eigeninteresse des Erblassers. Es hat eine Abwägung zwischen den Interessen des Erblassers an der Veräußerung und dem Interesse des Vermächtnisnehmers am Erwerb zu erfolgen. Es muss eine Änderung der Sachlage eintreten. Ein Sinneswandel beim Erblasser nach Erstellung der letztwilligen Verfügung ist nicht ausreichend.
Das lebzeitige Eigeninteresse muss gerade die Veräußerung des Gegenstandes erfordern. Ist der durch die Veräußerung erstrebte Zweck durch andere Maßnahmen ebenfalls erreichbar, liegt bei § 2288 BGB kein lebzeitiges Eigeninteresse vor. Bei § 2287 BGB wäre dies gegeben. Der Erblasser muss zusätzlich die vertragsmäßige Zuwendung kennen. Bei § 2288 Abs. 1 BGB muss bei der Fallgruppe der Beeinträchtigung durch tatsächliches Handeln ein zweckgerichtetes, bewusstes Handeln vorliegen. Ein fahrlässiges Handeln ist hier nicht ausreichend. Des Weiteren muss eine objektive Beeinträchtigung bei § 2288 BGB gege...