1. Einführung
Rz. 122
Manchmal ist es das Anliegen des Erblassers, einem Verwandten oder einer befreundeten Person das Recht einzuräumen, einen bestimmten Gegenstand (z.B. ein Grundstück) für den Fall des Verkaufs durch den zunächst Bedachten erwerben zu können. Dies kann der Erblasser dadurch erreichen, dass er dem Begünstigten im Wege eines Vermächtnisses ein Vorkaufsrecht an diesem Gegenstand einräumt. Durch das Vorkaufsrecht wird dem Vorkaufsberechtigten die Befugnis eingeräumt, den vorkaufsbelasteten Gegenstand zu denselben Bedingungen zu kaufen, wie diesen der Verpflichtete (= Erbe oder Hauptvermächtnisnehmer) rechtwirksam an einen Dritten verkauft hat. Zwischen dem Vermächtnisnehmer und dem Verpflichteten kommt mit der Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts ein neuer Vertrag zustande.
2. Arten des Vorkaufsrechts
Rz. 123
Das Vorkaufsrecht kann entweder schuldrechtlich (§§ 463 ff. BGB) oder dinglich (§§ 1094–1104 BGB) sein. Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht kann sich auf unbewegliche oder bewegliche Sachen und Rechte beziehen, während das dingliche Vorkaufsrecht nur an Grundstücken, an Miteigentumsanteilen an einem Grundstück, an Wohnungs- und Teileigentum sowie an einem Erbbaurecht eingeräumt werden kann. Mehrere Grundstücke können dabei nicht mit einem einheitlichen Vorkaufsrecht belastet werden. Es sind Einzelrechte an jedem Grundstück zu bestellen.
3. Entstehung des dinglichen und die Sicherung des schuldrechtlichen Vorkaufsrechts
Rz. 124
Das dingliche Vorkaufsrecht bedarf als beschränkt dingliches Recht zu seiner Entstehung der Einigung und Eintragung gem. § 873 BGB im Grundbuch. Bezieht sich das schuldrechtliche Vorkaufsrecht auf ein Grundstück, so kann der bedingte Eigentumsübertragungsanspruch gem. § 883 BGB durch eine Vormerkung gesichert werden. Beide – schuldrechtliches und dingliches Vorkaufsrecht – bedürfen gem. § 19 GBO der Eintragungsbewilligung des Eigentümers in öffentlich beglaubigter Form des § 29 GBO und des Eintragungsantrags entweder des Eigentümers oder des Vorkaufsberechtigten gem. § 13 GBO. Das Vorkaufsrecht bzw. die Vormerkung kann erst eingetragen werden, wenn der Eigentümer (= Erbe oder Hauptvermächtnisnehmer) im Grundbuch eingetragen ist (§ 39 GBO).
4. Vorkaufsberechtigter und Inhalt des Vorkaufsrechts
Rz. 125
Die Bestellung des Vorkaufsrechts kann zugunsten einer natürlichen oder einer juristischen Person erfolgen. Wird das dingliche Vorkaufsrecht mehreren Personen eingeräumt, so bestimmt § 472 BGB deren Gemeinschaftsverhältnis (§ 1098 BGB). Danach kann das Vorkaufsrecht nur gemeinsam ausgeübt werden. Nach der gemeinschaftlichen Ausübung geht der Eigentumsübertragungsanspruch auf Übereignung in Bruchteilseigentum über, sofern in der letztwilligen Verfügung von Todes wegen nichts anderes bestimmt worden ist. Eine Bestellung für mehrere Berechtigte ist ebenso in der Form der Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB möglich. Wird dabei das Eigentum auf einen Gesamtgläubiger übertragen, so wirkt dies schuldbefreiend. Ist das dingliche Vorkaufsrecht für eine juristische Person bestellt worden, so geht das Recht bei einer Rechtsnachfolge auf deren Rechtsnachfolger über, außer der Übergang wurde gem. §§ 1059a, 1098 BGB ausgeschlossen. Der Erblasser kann das Vorkaufsrecht auflösend oder aufschiebend bedingen oder befristen (§§ 158, 163 BGB).
Praxishinweis
Das Vorkaufsrecht kann z.B. nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeräumt werden. Dies könnte der erste Verkaufsfall innerhalb von zehn Jahren nach dem Tod des Erblassers sein oder auch für alle Verkaufsfälle innerhalb von fünf Jahren nach dem Todesfall.
5. Ausübung des Vorkaufsrechts
Rz. 126
Nach dem Wortlaut kann das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn der Eigentümer über den vorkaufsbelasteten Gegenstand einen Kaufvertrag abschließt. Die Ausübung ist demnach ausgeschlossen, wenn ein Ausstattungs-, Schenkungs- oder Erbauseinandersetzungsvertrag geschlossen wird. Selbst bei einem Verkauf mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht an einen gesetzlichen Erben kann gem. § 470 BGB das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden. Der vorkaufsverpflichtete Eigentümer hat nach § 469 BGB die Verpflichtung, den Verkaufsberechtigten selbst oder durch eine dritte Person unverzüglich nach Abschluss des Kaufvertrages mit dem Dritten dem Vorkaufsberechtigten den Inhalt des Kaufvertrages durch Übermittlung einer Vertragsabschrift mitzuteilen. Nach dem Zugang muss innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten die Ausübung des Vorkaufsrechts stattfinden. Der Erblasser hat dabei die Möglichkeit, die Frist zu verlängern oder zu verkürzen (§ 469 BGB). Die Frist ist eine Ausschlussfrist. Bei fristgerechter Vorkaufsrechtausübung kommt zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Eigentümer ein Kaufvertrag mit dem Inhalt zustande, den der vorkaufsverpflichtete Eigentümer mit dem Dritten geschlossen hat (§ 464 BGB).
6. Erlöschen des Vorkaufsrechts
Rz. 127
Das Vorkaufsrecht kann als beschränkt dingliches Recht jederzeit durch Einigung und Eintragung gem. § 875 BGB aufgehoben werden. Zur Löschung im Grundbuch wird gem. § 19 GBO die Löschungsbewilligung des Vermächtnisnehmers gem. § 29 GBO in notarieller Form und ein Antrag ...