1. Zurückbehaltungsrechte des Beschwerten
Rz. 41
Die auf das Vermächtnis entfallende Erbschaftsteuer hat der Vermächtnisnehmer zu tragen. Der Erbe haftet nur gem. § 20 Abs. 3 ErbStG für die Erfüllung der Erbschaftsteuer durch den Vermächtnisnehmer, wenn eine Inanspruchnahme des Nachlasses bereits erfolgt ist. Dann steht dem beschwerten Erben bei einem Geldvermächtnis ein Zurückbehaltungsrecht i.H.d. für die Erbschaftsteuer anfallenden Betrages nur unter dieser Bedingung zu. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgrundsatz in §§ 1143, 1225 BGB, nach dem derjenige, der die Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner befriedigt, Ersatz verlangen kann.
2. Kürzungsrecht des Beschwerten gem. § 2318 BGB
a) Einführung
Rz. 42
Nach § 2311 BGB sind Vermächtnisse bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nicht als Nachlassverbindlichkeit vorweg abziehbar. Die Vermächtnisse sind somit in diesem Bereich mit den Pflichtteilsansprüchen gleichrangig. Hat der Erbe neben Vermächtnissen auch Pflichtteilsansprüche zu erfüllen, hat er die Möglichkeit, nach § 2318 BGB die Vermächtnisse anteilig zu kürzen. Die Vorschriften der §§ 2318–2324 BGB regeln dabei das Innenverhältnis zwischen Erben, Vermächtnisnehmern und dem Auflagenbegünstigten. Ausnahme bzgl. des Außenverhältnisses ist die Einrede des § 2319 BGB. Im Innenverhältnis verteilen die §§ 2318–2323 BGB die Pflichtteilslast. Zu beachten ist jedoch, dass im Außenverhältnis die Erben alleine haften. Die Vorschrift des § 2318 BGB gilt für den Alleinerben und auch für Miterben. Allen gibt § 2318 BGB eine peremptorische Einrede.
b) Kürzungsrecht nach § 2318 Abs. 1 BGB
Rz. 43
Nach § 2318 Abs. 1 BGB kann der Erbe die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig zu tragen ist. Gleiches gilt bei einer Auflage. Dies geschieht dadurch, dass der Vermächtnisnehmer im Verhältnis seiner Einsetzung die Pflichtteilslast zu tragen bzw. sich an ihr zu beteiligen hat. Ist der Vermächtnisnehmer selbst mit einem Untervermächtnis belastet, kann diesem selbst das Kürzungsrecht gem. § 2318 Abs. 1 BGB nach §§ 2188, 2189 BGB zustehen. Sind mehrere Vermächtnisnehmer existent, so ist jedem gegenüber ein verhältnismäßiges Kürzungsrecht gegeben.
Fallbeispiel
Erblasser E setzt seinen Freund F zum Alleinerben ein. Zugunsten seines weiteren Freundes A setzt er ein Vermächtnis i.H.v. 20.000 EUR ein. Sein Sohn S, als einziger gesetzlicher Erbe, ist damit enterbt. Der Nachlasswert beträgt 100.000 EUR; S verlangt von F den Pflichtteil. Wie hoch ist der Pflichtteilsanspruch des S und wer hat diesen zu erfüllen?
Lösung
Als einziger gesetzlicher Erbe hat der Sohn einen Pflichtteilsanspruch von ½ des Nachlasswertes, demnach 50.000 EUR. Nach § 2318 Abs. 1 BGB kann F die Erfüllung des Vermächtnisses an A insoweit verweigern, als die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer A verhältnismäßig getragen wird. Das Verhältnis zwischen Vermächtnis und Nachlass beträgt 20.000 EUR : 100.000 EUR. Somit muss A im Innenverhältnis zu F mit 1/5 an der Pflichtteilslast beteiligen. 1/5 von 50.000 EUR sind 10.000 EUR. In dieser Höhe muss der Vermächtnisnehmer A sein Vermächtnis kürzen lassen. A kann daher die Erfüllung des Vermächtnisses nur i.H.d. verbleibenden 10.000 EUR verlangen. Bei F bleibt die Pflichtteilslast i.H.v. 40.000 EUR. Der pflichtteilsberechtigte Sohn S erhält demnach seinen vollen Pflichtteilsanspruch i.H.v. 50.000 EUR, der Freund F erhält 40.000 EUR und der weitere Freund A erhält 10.000 EUR.
Somit gilt folgende Formel für das Kürzungsrecht bei Vermächtnissen gem. § 2318 Abs. 1 BGB:
Rz. 44
Sind mehrere Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigte vorhanden, ist der Erbe jedem gegenüber zur verhältnismäßigen Kürzung berechtigt, außer der Erblasser hat Einzelnen gem. § 2189 BGB den Vorrang eingeräumt bzw. § 2318 Abs. 2 BGB kommt zur Anwendung. Erhält der Vermächtnisnehmer einen unteilbaren Gegenstand, z.B. ein Grundstück oder ein Nießbrauchs- bzw. Wohnungsrecht, kann der Erbe bei der Geltendmachung des Vermächtnisses den Kürzungsbetrag verlangen. Erfüllung des Vermächtnisses erfolgt dann bei Übereignung Zug um Zug gegen Zahlung des Kürzungsbetrages. Verweigert der Vermächtnisnehmer dies, besteht für den Erben die Möglichkeit, dem Vermächtnisnehmer den Wert des Vermächtnisses unter Abzug des Kürzungsbetrages auszubezahlen.
Eine Kürzung gem. § 2318 Abs. 1 BGB kann nur erfolgen, wenn der Pflichtteil bereits geltend gemacht worden ist. Die bloße Ankündigung einer Geltendmachung und die Aufforderung, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, genügen nicht. Liegt ein schenkweiser Verzicht auf die Pflichtteilsforderung seitens des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben vor, bleibt auch hier das Kürzungsrecht bestehen. Bei der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs ist ein Kürzungsrecht ausgeschlossen. Ist...