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In Ansehung der soeben dargestellten Situation ist es zunächst von großer Bedeutung, dass der Richter schon im Anhörungstermin dem Verpflichteten klarmacht, dass er notfalls "durchziehen" wird; schon dies wirkt nach unserer Erfahrung sowohl spezial- als auch generalpräventiv.

Sollte eine Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang unumgänglich sein, so sollte der Richter in Erwägung ziehen, bei der zwangsweisen Herausnahme des Kindes selbst anwesend zu sein. Dies mag unkonventionell erscheinen, ist aber zweifelsohne – jedenfalls im hier vorliegenden Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit – rechtlich statthaft und hat nicht zu unterschätzende Vorteile. Denn es beeindruckt die Beteiligten regelmäßig, wenn ein Richter in schwierigen Situationen sichtbar – Symbolwirkung! – auch an Ort und Stelle und nicht nur vom Schreibtisch aus die Verantwortung für seine Entscheidung übernimmt. Bereits der damit verbundene Zugewinn an Glaubwürdigkeit und Autorität wird häufig deeskalierend wirken. Die Anwesenheit des Richters gibt zudem dem Gerichtsvollzieher sowie den Polizeibeamten und Jugendamtsmitarbeitern Sicherheit, weil findige Vollstreckungsschuldner zuweilen Einwände gegen die Vollstreckbarkeit der Entscheidung erheben. Der Richter kann hierauf unmittelbar eingehen, so dass (Auslegungs-)Zweifel nicht zum Aufschieben der Vollstreckung führen müssen. Dies ist wiederum dem Wohl des betroffenen Kindes zuträglich, das durch mehrere abgebrochene Vollstreckungsversuche erheblich belastet wird. Schließlich ermöglicht die Anwesenheit des Richters es ihm auch in Eilfällen – falls sich das als notwendig erweist – vorbehaltlich seiner örtlichen Zuständigkeit an Ort und Stelle eine Wohnungsöffnung nach § 91 FamFG anordnen.

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