Marnie Plehn, Peter Hützen
Rz. 24
Eine Begrenzung der Kündigungsfristen hielt der Gesetzgeber für erforderlich, da aufgrund der im Laufe der Zeit erfolgten Ausdehnung der Kündigungsfristen Arbeitnehmer in der Insolvenz häufig nicht mehr bis zum Ende der Kündigungsfrist beschäftigt werden können; blieben die Entgeltansprüche dennoch als Masseschuld erhalten, würde dies zu einer Verkürzung oder gar Entleerung der Masse führen (vgl. BT-Drucks 12/2443, 148 sowie 12/7302, 169). Das Unvermögen der Tarifparteien, den Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Arbeitnehmern und übrigen Insolvenzgläubigern zu regeln, hat Auswirkungen auf die Eingriffsqualität und die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Tarifautonomie (BVerfG v. 8.2.1999, KTS 1999, 351 = NZI 1999, 228 = ZInsO 1999, 350; BVerfG v. 21.5.1999, KTS 1999, 353 = NZI 1999, 359 = ZInsO 1999, 466). Der Blick durch die rein "arbeitsrechtliche Brille" darf weder bei Kündigungsrechtsstreiten noch bei Weiterbeschäftigungsklagen dazu führen, dass den berechtigten und rechtlich nicht zu beanstandenden Interessen der übrigen Gläubiger, insb. auch der Insolvenzgläubiger, nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden kann (Ettwig, SAE 2001, 235, 239).
Rz. 25
Die Tarifvertragsparteien haben zwar ein Normsetzungsrecht, aber kein Normsetzungsmonopol. Mithin ist dem Gesetzgeber die Regelung von Fragen, die Gegenstand von Tarifverträgen sein können, nicht von vornherein entzogen (KPB/Moll, § 113 InsO Rn 95). Da der Gesetzgeber den Umfang des Kündigungsschutzes – über den die Tarifvertragsparteien nicht disponieren können (BAG v. 20.10.1993 – 7 AZR 135/93, NZA 1994, 128 = ZIP 1994, 313; BAG v. 1.12.1993, NZA 1994, 369 = ZIP 1994, 387) – nicht nur hinsichtlich der Frage, ob und ab wann er überhaupt besteht, also allgemein eingreift, sondern auch hinsichtlich seiner zeitlichen Dauer, nämlich der Kündigungsfristen und -termine, bestimmen kann, kann schon von daher gesehen kein Eingriff in die koalitionsmäßige Betätigung vorliegen, wenn er für bestimmte Sonderfälle (Sonderkündigungsschutz, Berufsausbildung, Insolvenz) keine abweichende Regelungen in Tarifverträgen zulässt (LAG Hamm v. 20.5.1999, BuW 1999, 960 = ZInsO 1999, 362 unter Bezugnahme auf Berscheid, InVo 1998, 32, 35 f.; ders., ZInsO 1998, 115, 125; zust. HWF, Kap. 5 Rn 269; Uhlenbruck/Zobel, § 113 InsO Rn 75; ähnl. KPB/Moll, § 113 InsO Rn 95 nach Fn 203; a.A. Bichlmeier/Oberhofer, AiB 1997, 161, 162). Sollte ein Eingriff vorliegen, würde er zumindest keinen übermäßigen Eingriff in die Tarifautonomie darstellen (Lakies, BB 1998, 2638, 2640; Tschöpe/Fleddermann, ZInsO 2001, S. 455, 458). Die gesetzliche Neuregelung der Kündigungsfristen und -termine in § 113 S. 2 InsO sowie der Aufhebung von Kündigungsbeschränkungen und -erschwerungen in § 113 S. 1 InsO liegt in der Konsequenz der höchstrichterlichen Rspr. (BAG v. 7.6.1984 – 2 AZR 602/82, KTS 1984, 434 = NZA 1985, 121 = ZIP 1984, 1517; BAG v. 9.3.1995, KTS 1995, 726 = NZA 1996, 99 = ZIP 1995, 849), indem sie tarifliche und gesetzliche Kündigungsfristen und -termine gleichbehandelt, d.h. durch eine für alle Arbeitsverhältnisse – ob tarifgebunden oder nicht – geltende Höchstfrist und einen einheitlichen Kündigungstermin ersetzt (LAG Hamm v. 20.5.1999, BuW 1999, 960 = ZInsO 1999, 362).