Rz. 125

Neben der Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG sind mit ihm die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern, § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG. Ebenso wie die Unterrichtung ist auch die Beratung Voraussetzung für eine wirksame Massenentlassungsanzeige (Niklas/Koehler, NZA 2010, 913, 916). Die Beratung muss rechtzeitig erfolgen. Wie sich aus § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG ergibt, bedeutet rechtzeitig in diesem Zusammenhang, dass die Beratung mindestens 2 Wochen vor Erstattung der Anzeige begonnen haben muss. Die Beratung muss vom Arbeitgeber bzw. vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter mit dem ernsthaften Willen zur Einigung geführt werden (KR/Weigand, § 17 KSchG Rn 62). Einer Einigung mit dem Betriebsrat bedarf es indes nicht (BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 276/16, NZA 2017, 175; BAG v. 13.7.2006 – 6 AZR 198/06, NZA 2007, 25; BAG v. 21.5.2008, NZA 2008, 753 = ZInsO 2008, 1153). Ebenso wie beim Interessenausgleich bleibt der Arbeitgeber bzw. der (vorläufige) Insolvenzverwalter frei darin zu entscheiden, ob er Massenentlassungen durchführen will oder nicht (Franzen, ZfA 2006, 437). Deshalb ist der Beratungspflicht auch bei fehlender Einigung mit dem Betriebsrat Genüge getan. Zwar darf der Verwalter Massenentlassungen erst nach Ende des Konsultationsverfahrens i.S.d. Art. 2 RL 98/59/EG und nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung i.S.d. Art. 3 und Art. 4 der RL vornehmen (EuGH v. 27.1.2005 – C 188/03, NZA 2005, 213 = NJW 2005, 1099), jedoch bedeutet "Ende des Konsultationsverfahrens" auch bei richtlinienkonformen Verständnis des § 17 KSchG nicht, dass die Beratungen zu Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen sein müssen (BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 84/07, NZA 2008, 753). Es ist weder nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG noch nach Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 RL 98/59/EG Voraussetzung, dass außer der Unterrichtung des Betriebsrates und Beratung mit dem Betriebsrat auch eine Einigung vor "Durchführung der Massenentlassung" erzielt worden sein muss (BAG v. 18.9.2003, NZA 2004, 375 = ZInsO 2004, 460). Auch nach der Rechtsprechungsänderung zum Entlassungsbegriff ist aus der Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG keine Pflicht zur Verständigung über den Umfang und die Folgen der Massenentlassung abzuleiten. Weder nach dem KSchG noch zur Erfüllung der Konsultationspflicht nach Art. 2 Abs. 2 RL 98/59/EG ist es notwendig, nach dem Scheitern der Verhandlungen der Betriebsparteien noch einen unparteiischen Dritten einzuschalten, wie dies § 112 Abs. 2 BetrVG vorsieht (BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 84/07, NZA 2008, 753). Wenn der Arbeitgeber annehmen darf, es bestehe kein Ansatz für weitere, zielführende Verhandlungen, kann er das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat beenden. Dem Arbeitgeber kommt in diesem Rahmen eine Beurteilungskompetenz zu, wann er den Beratungsanspruch des Betriebsrats als erfüllt ansieht (BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 276/16, NZA 2017, 175). Eine Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen ist nicht erforderlich (Mückl/Vielmeier, NJW 2017, 2956), aber zu empfehlen.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge