Marnie Plehn, Peter Hützen
Rz. 136
In Umsetzung der europäischen Restrukturierungsrichtlinie 2019/1023/EU hat der Deutsche Bundestag am 17.12.2020 das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) verabschiedet, das am 1.1.2021 in Kraft getreten ist. Das SanInsFog beinhaltet neben Änderungen der bereits bestehenden insolvenzrechtlichen Normen auch Rahmenbedingungen zur Durchführung eines außerinsolvenzrechtlichen Sanierungsverfahrens, die im Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) geregelt sind. Damit steht den Unternehmen in Deutschland erstmals ein insolvenzabwendendes Restrukturierungsverfahren zu Verfügung, mit dem Gläubiger zu einem Sanierungsbeitrag bewegt werden können. Der Gesetzgeber hat insofern einen Rechtsrahmen geschaffen, der es Unternehmen ermöglichen soll, sich basierend auf einem Restrukturierungsplan (§§ 5 ff. StaRUG) präventiv zu sanieren. Dabei geht es im Kern darum, Sanierungen von Unternehmen auch gegen den Widerstand von Minderheitsgläubigern umsetzen zu können, ohne ein kostenintensives Insolvenzverfahren durchführen zu müssen.
Rz. 137
Der Restrukturierungsplan besteht aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil. Der darstellende Teil soll vorzunehmende Maßnahmen beinhalten, während der gestaltende Teil die Rechtsänderungen enthält, die durch den Plan umgesetzt werden sollen. In dem darstellenden Teil sind die nicht über den gestaltenden Teil umzusetzenden Maßnahmen besonders hervorzuheben, § 6 Abs. 1 StaRUG. Dies gilt insbesondere für arbeitsrechtliche Maßnahmen, denn Arbeitnehmerforderungen sind gem. § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG ausdrücklich von einer Berücksichtigung im gestaltenden Teil ausgenommen. Gleichwohl können gerade arbeitsrechtliche Umstrukturierungen im Gesamtgefüge eines Sanierungsplans wichtige Elemente bilden. Dazu gehören etwa Kosteneinsparungen durch Kurzarbeit, einzelne Personalveränderungen oder ganze Betriebsstillegungen.
Die für das Arbeitsrecht zentrale Norm ist § 92 StaRUG, wonach die Verpflichtung des Schuldners gegenüber den Arbeitnehmervertretungsorganen von den Regelungen des StaRUG unberührt bleiben.
Auch wenn das StaRUG darüber hinaus keine erweiterten Beteiligungsrechte des Betriebsrats oder des Wirtschaftsausschusses vorsieht, ist für die Fassung eines wirksamen Restrukturierungsplans konstitutiv, dass eine rechtzeitige und vollständige Konsultation der Arbeitnehmervertreter stattfindet. Zu berücksichtigen ist dies insbesondere hinsichtlich der §§ 111 f. BetrVG. Ein Restrukturierungsplan, der betriebsändernde Maßnahmen umfasst, löst die Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu Interessenausgleich und – sofern kein Ausnahmetatbestand nach § 112a BetrVG eingreift – Sozialplan aus (Salamon/Krimm, NZA 2021, 235). Dies gilt auch für die Einbindung eines Wirtschaftsausschusses nach §§ 106 ff. BetrVG oder, bei einem Unternehmen ohne Wirtschaftsausschuss, jedenfalls eine Unterrichtung der Arbeitnehmer gem. § 110 BetrVG. Sind mit den Maßnahmen aus dem Restrukturierungsplan anzeigepflichtige Entlassungen gem. § 17 Abs. 1 KSchG verbunden, besteht zugleich die Konsultationspflicht des § 17 Abs. 2 KSchG.
Das Unternehmen ist nicht nur bezüglich der Vollständigkeit des Restrukturierungsplans, sondern auch hinsichtlich der Rechtzeitigkeit und der Vollständigkeit der Konsultation mit den Arbeitnehmervertretern darlegungs- und beweisbelastet. Dies ist insofern von Bedeutung für die erfolgreiche Durchführung einer Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahme nach dem StaRUG, als die fehlerhafte Beteiligung der Arbeitnehmervertreter unmittelbar das Risiko einer gerichtlichen Versagung der Planbestätigung (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) birgt. Auch gegenüber Gläubigern, deren Bereitschaft zu einem teilweisen Forderungsverzicht davon abhängen wird, dass arbeitsrechtliche Maßnahmen erfolgreich durchgeführt werden, ist der Nachweis einer Dokumentation über die ordnungsgemäße Beteiligung der Arbeitnehmer konstitutiv. Es wird insofern ein Interesse daran bestehen, dass ein etwaig erforderlicher Stellenabbau sorgfältig und ordnungsgemäß durch Verfahren zum Interessenausgleich, Sozialplan sowie ggf. auch einem Sanierungstarifvertrag durchgeführt wurde (Göpfert/Giese, NZI-Beilage 2021, 55).