Rz. 20
Achtung: Ausländer
Ausländern muss die Rechtsmittelbelehrung auch übersetzt öffentlich zugestellt werden (§ 35a S. 2 StPO).
I. Nach Rechtsmittelverzicht?
Rz. 21
Sowohl der vom mit entsprechender Vollmacht ausgestatteten Verteidiger, als auch der vom Angeklagten erklärte Rechtsmittelverzicht ist wirksam. Er ist unwiderruflich und unanfechtbar (KG NZV 2003, 99), das gilt allerdings nicht bei objektiv unrichtiger Erklärung oder Auskunft des Gerichts (KG NZV 2007, 430). Die allgemein erteilte Vollmacht ermächtigt den Verteidiger zur Erklärung des Verzichts (BVerfG NJW 1993, 456; a.A. OLG Thüringen zfs 2007, 412, das eine ausdrückliche Ermächtigung hierzu verlangt).
Der Rechtsmittelverzicht ist an die gleiche Form wie die Einlegung des Rechtsmittels gebunden. Eine zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegebene Erklärung reicht deshalb aus (BGH NStZ 1986, 277).
Rz. 22
Verteidiger bzw. Angeklagter können in der Hauptverhandlung einen Rechtsmittelverzicht auch zu Protokoll erklären. An der Beweiskraft des Protokolls nimmt die Erklärung jedoch nur teil, wenn sie in der Form des § 273 Abs. 3 StPO beurkundet ist, also vorgelesen und genehmigt wurde (OLG Düsseldorf StraFo 1999, 308; KG NZV 2003, 99). Ob eine solche Erklärung abgegeben worden ist, kann aber auch ohne Vorliegen eines Protokolls im Wege des Freibeweises ermittelt werden (BGH bei Tolksdorf, DAR 1995, 196).
Rz. 23
Der von dem Angeklagten erklärte Rechtsmittelverzicht ist grundsätzlich auch dann wirksam, wenn der Verteidiger (sogar mangels Ladung) ausgeblieben war (BGH NStZ 1996, 297).
II. Annahmeberufung
1. Zulassungsvoraussetzungen
Rz. 24
Gegen ein nicht mehr als 15 Tagessätze verhängendes Urteil ist eine Berufung nur möglich, wenn das Berufungsgericht sie zulässt. Deshalb muss der Berufungsführer seine Zulassungsberufung begründen.
2. Ausnahmen
Rz. 25
Gegen ein in einem Strafbefehlsverfahren ergangenes Verwerfungsurteil ist die Berufung zulässig, ohne dass sie einer Annahme nach § 313 StPO bedürfte, denn § 313 StPO setzt eine Verhandlung zur Sache voraus.
Des Weiteren geht die h.M. davon aus, dass eine Sprungrevision immer zulässig ist, so z.B. BayObLG St 1993, 147 und 1993, 232, wonach die Prüfung der Revision nicht die Frage umfasst, ob die Berufung hätte nach § 313 StPO angenommen werden können (so auch OLG Düsseldorf StraFo 1998, 167).
3. Neue Beweisanträge
Rz. 26
Der Tatbestand der Offensichtlichkeit in § 313 Abs. 2 S. 1 StPO ist bei Ankündigung neuer Beweisanträge nur dann erfüllt, wenn an der Richtigkeit der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen vernünftige Zweifel nicht bestehen, was das Berufungsgericht zu begründen hat, wenn es die Annahme der Berufung ablehnt (BVerfG NJW 1996, 2785).
III. Strafmaßberufung und Jugendrecht
Rz. 27
Im Jugendstrafrecht ist eine Strafmaßberufung grundsätzlich unzulässig (§ 65 JGG). Diese Beschränkung gilt indessen nicht, wenn im Urteil die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
IV. "reformatio in peius"
Rz. 28
Das Verbot der "reformatio in peius" (§§ 331, 358 Abs. 2 StPO) gilt – soweit die Entziehung der Fahrerlaubnis betroffen ist – nur in der Theorie.
Auf das Rechtsmittel des Angeklagten hin darf nämlich das Berufungsgericht die Sperrfrist zwar nicht verlängern (BGHSt 5, 168; BayObLG NJW 1966, 2371), es ist ihm jedoch nicht verwehrt, die Berufung zu verwerfen. Dies hat dann zur Folge, dass die vom Amtsrichter festgesetzte Sperrfrist erst mit dem Berufungsurteil zu laufen beginnt und die zwischen den Instanzenzügen vergangene Zeit der vorläufigen Entziehung nicht mit eingerechnet wird (OLG Koblenz VRS 65, 371). Gollner hält dies mit guten Gründen für bedenklich.
Achtung: Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Vergehen nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB bzw. § 316 StGB sind grundsätzlich geeignet, die Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB zu rechtfertigen. Die Maßregel kann auch nach einem nur vom Angeklagten eingelegten Rechtsmittel angeordnet werden (OLG Hamm BA [2017] 40–44; OLG Zweibrücken NZV 2018, 543).
V. Übergang zur Revision
Rz. 29
Trotz der Bezeichnung des Rechtsmittels als Berufung kann der Beschwerdeführer innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zur Revision übergehen. Seine Erklärung muss allerdings rechtzeitig beim zuständigen Amtsgericht eingegangen sein (BGH NJW 1995, 2367).
VI. Rücknahme
Rz. 30
Die Rücknahme der Berufung ist nach Eintritt in die Hauptverhandlung (= Aufruf der Sache) nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft möglich (§ 303 StPO).
Rz. 31
Nach Eintritt in die Hauptverhandlung lebt die Befugnis des Beschwerdeführers, über sein Rechtsmittel alleine zu verfügen, nicht wieder auf (BGHSt 23, 277), d.h., nach einer Vertagung kann der Angeklagte die Berufung (oder den Einspruch) ohne Zustimmung des Staatsanwaltes auch nicht außerhalb der Hauptverhandlung zurücknehmen.
VII. Verwerfung wegen Säumnis
Rz. 32
Grundsätzlich hat das Gericht mindestens 15 Minuten zuzuwarten, bevor es die Berufung verwirft. Aber auch das ist nicht zulässig, wenn der Angeklagte vor Beginn der Verhandlung telefonisch mitgeteilt hat, dass er infolge eines Irrtums zu einem falschen Gericht gefahren ist und noch in der nächsten Stunde erscheinen könne (OLG Nürnberg zfs 2007, 588).
Rz. 33
Achtung: Erklärungsvollmach...