Rz. 17

Die 4. Verordnung zur Änderung der FeV und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BR-Drucks 302/08) hat in § 11 Nr. 4–7 FeV weitere mögliche Anordnungsfälle ausdrücklich genannt. So kann jetzt eine MPU auch bei einer erheblichen Straftat angeordnet werden, die unter Nutzung eines Kraftfahrzeugs begangen wurde (Nr. 6) bzw. die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr (Nr. 5) oder – vor allem bei hohem Aggressionspotential (OVG Lüneburg DAR 2017, 158) – mit der Fahreignung steht (Nr. 6).

Allerdings dürfen im BZRG einzutragende Straftaten nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sich aus den Eintragungspflichten ein Verwertungsverbot ergibt (OVG Münster NZV 2017, 447).

Umstritten ist, ob eine "normale" Unfallflucht zu Eignungszweifeln berechtigt.[5]

Bei wiederholter Tatbegehung genügen dagegen einfache Straftaten. Die Verordnung reagiert damit auf die Rechtsprechung des BGH zu den Indizstraftaten des § 69 Abs. 1 StGB, nach der die Fahrerlaubnis nur entzogen werden kann, wenn ein verkehrsspezifischer Zusammenhang besteht, was bei bloßer Nutzung des Fahrzeuges zur Begehung der Straftat (z.B. Einbrecher oder Drogenkurier) nicht der Fall ist.

 

Rz. 18

 

Achtung: Achtungspflicht während des Laufs des Strafverfahrens

Aus Gründen des Vorrangs der strafrichterlichen Entscheidung ist es der Verwaltungsbehörde grundsätzlich untersagt, ihre Entscheidung, insbesondere eine Entziehungsverfügung, auch auf einen Sachverhalt zu stützen, der noch Gegenstand eines Strafverfahrens ist (OLG Koblenz NZV 2006, 559; OVG Magdeburg NZV 2011, 55). Dabei besteht die Bindungswirkung ab der Einleitung des Strafverfahrens bis zu dessen förmlichem Abschluss und gilt auch für lediglich vorbereitende Aufklärungsmaßnahmen wie die Anforderung einer MPU (VGH Mannheim DAR 2014, 413), allerdings nur soweit sich die Behörde auf die im Strafurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen oder die dortige Eignungsbeurteilung beziehen will (OVG Münster NZV 2014, 543; OVG Lüneburg NZV 2016, 396; OVG Bautzen DAR 2017, 650).

Ein laufendes Ordnungswidrigkeitenverfahren (VGH Mannheim DAR 2007, 664; VG Gelsenkirchen NZV 2017, 104) bindet die Verwaltungsbehörde ebenso wenig wie ein nach § 170 StPO eingestelltes Strafverfahren (Nds. VGH zfs 2008, 114).

Im Übrigen kann eine Bindungswirkung nur ein Strafverfahren entfalten, indem eine Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB in Frage kommt. Deshalb hat ein Strafverfahren wegen einer mit einem Fahrrad begangenen Trunkenheitsfahrt keine Bindungswirkung (OVG Berlin-Brandenburg NZV 2017, 281).

Nach Auffassung des Hess. VGH (zfs 2013, 478) soll die Behörde allerdings durch ein laufendes Verfahren dann nicht an eigenständigen Maßnahmen gegen den Betroffenen gehindert sein, wenn sich aus weiteren Erkenntnissen der Polizei oder aus anderen Strafverfahren Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial ergeben.

 

Rz. 19

Die Achtungspflicht besteht schließlich auch für bereits abgeurteilte Taten dann, wenn sie dem Strafrichter bei der erneuten Verurteilung bekannt waren und er sie zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht hatte (VGH Bad.-Württ. zfs 2010, 415; zur Achtungspflicht allgemein siehe § 57 Rdn 36 ff.).

[5] zu Einzelheiten siehe Himmelreich u.a., DAR 2011, 288 sowie Dronkovic, DAR (Extra) 2014, 761.

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