I. Anordnung kein Verwaltungsakt
Rz. 53
Bei der Anordnung, ein ärztliches Gutachten oder ein MPU-Gutachten beizubringen, handelt es sich nach h.M. um eine einen Verwaltungsakt vorbereitende nichtselbstständige Maßnahme, also nicht um einen mit Rechtsbehelfen angreifbaren Verwaltungsakt (BVerwG zfs 1996, 77; DAR 2017, 410; BVerfG DAR 1994, 372; Hamburger OVG zfs 2003, 262; BayVGH zfs 2013, 177; OVG Schleswig-Holstein zfs 2014, 539).
Rz. 54
Achtung: Kein vorläufiger Rechtsschutz
Weil es sich nach h.M. bei der Anordnung eben nicht um einen Verwaltungsakt handelt, ist auch kein vorläufiger Rechtsschutz möglich (BayVGH zfs 2018, 178).
Rz. 55
Trotz beachtlicher Kritik hält die Rechtsprechung an dieser Auffassung fest. Der Verordnungsgeber hat diese Rechtsprechung nun in der Begründung zu § 11 FeV ausdrücklich bestätigt (BR-Drucks 443/98, S. 257, zu § 11 Abs. 6 FeV). Es bleibt deshalb dabei, dass der Betroffene die Rechtswidrigkeit der Anordnung nur im Entziehungsverfahren selbst geltend machen kann (BVerwG zfs 1996, 77; DAR 2017, 410).
II. Entzug der Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit
1. Aufschiebende Wirkung
Rz. 56
Widerspruch und Klage haben aufschiebende Wirkung – außer bei der Entziehung einer Fahrerlaubnis auf Probe oder aufgrund des Punktsystems (§ 2a Abs. 6 StVG).
2. Anordnung der sofortigen Vollziehung
Rz. 57
Dem Kraftfahrer, der sich als ungeeignet erwiesen hat, wird nicht nur die Fahrerlaubnis entzogen. Zusätzlich wird die Anordnung für sofort vollziehbar erklärt (§ 47 Abs. 1 S. 2 FeV).
Rz. 58
Achtung: Vollziehungsinteresse
Das Vollziehungsinteresse ist aufgrund der durch § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO gestellten Anforderungen in jedem Einzelfall konkret festzustellen. Es ist im Falle unzulässiger Aufklärung ebenso wenig (OVG des Saarlandes DAR 2018, 644) gegeben, wie allein die Begründung, der Verwaltungsakt sei offensichtlich rechtmäßig (VGH Bad.-Württ. zfs 1995, 37; VG Hamburg NZV 1998, 392).
3. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
Rz. 59
Gegen die sofortige Vollziehung kann der Betroffene gem. § 80 Abs. 5 VwGO vorgehen und beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragen (z.B. OVG Münster NZV 1990, 127; VGH Bad.-Württ. zfs 1993, 212).
Rz. 60
Tipp: Hauptsache offene Interessenabwägung
Speziell zu der für solche Anträge entscheidenden Frage der hauptsacheoffenen Interessenabwägung: OVG des Saarlandes zfs 2002, 552; 2003, 65; BayVGH zfs 2019, 597.
4. Antrag auf Zulassung der Beschwerde
Rz. 61
Das erst 1997 durch das 6. VwGO-ÄndG eingeführte Zulassungsverfahren bei Beschwerden gegen Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist wieder abgeschafft worden. Damit sind Beschwerden auch in diesem Bereich seit dem 1.1.2002 wieder zulassungsfrei. Nach § 146 Abs. 4 VwGO ist die Beschwerde gegen Beschlüsse in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 und 123 VwGO) allerdings nunmehr innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung zwingend zu begründen.
Rz. 62
Die Begründung ist – sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist – beim OVG einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (§ 146 Abs. 4 S. 3 VwGO). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht ist in diesem Verfahren nicht zur Abhilfe nach § 148 VwGO berechtigt. Das OVG prüft im Rahmen der Begründetheit nur die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 VwGO).
III. Entzug aufgrund des Punktsystems (8 Punkte)
Rz. 63
Hier haben Widerspruch und Anfechtungsklage gem. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG – ebenso wie Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar (§ 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StVG) oder gegen die Entziehung nach § 4 Abs. 7 S. 1 StVG (Nichtbefolgen der Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar) – keine aufschiebende Wirkung. Im Gegensatz zu den vorgenannten Fällen, in denen die Frage der sofortigen Vollziehung ein eigenständiger Angriffspunkt ist, bedarf es hier keiner besonderen Begründung, weil bereits das Gesetz die sofortige Vollziehbarkeit (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO) anordnet. Eine von der Behörde dennoch verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung geht ins Leere (VG Regensburg zfs 2000, 40). Hier muss deshalb der Betroffene, will er einen Aufschub erreichen, einen Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung stellen (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO).
Rz. 64
Achtung: Reduzierung des Punktestands während des Widerspruchsverfahrens
Eine zeitlich nach Erreichen von 8 Punkten erfolgte Tilgung ist im Hinblick auf das geltende Tattagprinzip generell (BVerwG zfs 2009, 102; VGH Mannheim DAR 2011, 116; OVG Berlin-Brandenburg BA 2012, 177) ohne Bedeutung, also erst recht dann, wenn die Tilgung im Laufe des Widerspruchsverfahrens erfolgt (BVerwG zfs 2009, 118).
Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn sich der Punktestand bereits vor der Verfügung der Verwaltungsbehörde reduziert hatte (siehe oben R...