Rz. 81

§ 11 Abs. 8 FeV hat die frühere Rechtsprechung (BVerfG NJW 1987, 2455; BayVGH zfs 2010, 296) kodifiziert, wonach aus der Weigerung, ein Gutachten beizubringen, auf die Nichteignung des Betreffenden geschlossen werden darf (BVerwG zfs 2017, 474), wobei die Vorschrift der Behörde kein Ermessen mehr einräumt (VGH Mannheim DAR 2012, 164) und ihre Verfassungsmäßigkeit nicht im Zweifel steht (BVerwG NJW 2002, 78; BVerfG zfs 2002, 460). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Anordnung selbst rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen, war (BVerfG zfs 2018, 474). An die Prüfung sind strenge Anforderungen, auch in formeller Hinsicht, zu stellen, so ist z.B. Voraussetzung hierfür, dass der Betreffende auf sein Recht, die dem Gutachter zu übersendenden Unterlagen einzusehen, hingewiesen wurde (BVerwG DAR 2017, 411) und ihm die für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen benannt worden sind (VGH München DAR 2018, 641). Schließlich muss die Verwaltungsbehörde eine genau bestimmte Frist zur Beibringung des Gutachtens gesetzt haben (OVG Rheinland-Pfalz zfs 2000, 320; VGH Bad.-Württ. zfs 2003, 524), wobei die Frist angemessen und u.a. auch regionale Besonderheiten berücksichtigen muss (VGH Saarlouis DAR 2013, 408). Der Betroffene hat allerdings keinen Anspruch auf eine Fristsetzung, die ihm erst den Nachweis ermöglichen soll, dass eine Abhängigkeit nicht mehr besteht (VGH Bad.-Württ. DAR 2012, 164).

 

Rz. 82

 

Achtung: Fristversäumnis

Versäumt der Betroffene bei Drogenverdacht die ihm gesetzte Frist, kann hieraus auf Nichteignung selbst dann geschlossen werden, wenn die Frist kurz bemessen und überraschend bestimmt war (OVG Münster DAR 2003, 283).

 

Rz. 83

Der Ablehnung der Beibringung eines Gutachtens steht es gleich, wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Haaranalyse verweigert und nur eine Urinprobe zulassen will (Hamburger OVG NZV 1998, 124; OLG Lüneburg DAR 2014, 475) oder durch Kürzen des Haupthaares eine entsprechende Drogenuntersuchung verhindert (Hamburger OVG zfs 2004, 289).

 

Rz. 84

 

Achtung: Verwertung von strafrechtlichen Erkenntnissen

Eine im Strafverfahren entnommene Haarprobe darf – wie auch sonstige Beweismittel, sogar eine unter Verletzung des Richtervorbehalts entnommene Blutprobe (BayVGH zfs 2010, 232; VGH Mannheim DAR 2010, 537 – im Verwaltungsverfahren ohne Zustimmung des Betroffenen verwertet werden (VGH Bad.-Württ. zfs 2004, 93).

 

Rz. 85

Unbeachtlich ist schließlich auch die Behauptung des Betroffenen, aus finanziellen Gründen zur Beibringung des Gutachtens nicht in der Lage zu sein (BayVGH zfs 2018, 178; VGH München DAR 2019, 345), denn die finanzielle Leistungsfähigkeit hat generell außer Betracht zu bleiben (BVerfG zfs 1998, 236; BayVGH BeckRS 2012, 52849). Dies gilt selbst für Sozialhilfeempfänger (OVG Lüneburg zfs 1995, 236).

 

Rz. 86

 

Achtung: Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung

Schlüsse aus der Weigerung, ein Gutachten beizubringen, können indes nur dann gezogen werden, wenn die zugrunde liegende Anordnung selbst rechtmäßig war. Dazu gehört zunächst einmal, dass die Aufforderung, sich einer Begutachtung oder einem Drogenscreening zu unterwerfen, rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Sie muss namentlich anlassbezogen sein (BVerwG zfs 2002, 47; DAR 2017, 410; OVG Magdeburg NZV 2013, 53; OVG Lüneburg DAR 2014, 475). Außerdem müssen dem Betroffenen die Fahreignungszweifel in nachvollziehbarer Weise mitgeteilt und, da die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens ins Ermessen der Behörde gestellt ist, muss die Ermessensbetätigung nachvollziehbar begründet werden (VGH München NZV 2019, 430).

Schließlich muss die Anordnung verhältnismäßig gewesen sein, so darf z.B. nicht anstatt der Doppelbegutachtung nur eine psychologische oder nur eine medizinische Untersuchung zulässig gewesen sein. Ergibt die Prüfung, dass die Anordnung unzulässig war, darf aus der Weigerung, ein Gutachten beizubringen, nicht auf Ungeeignetheit geschlossen werden (BVerwG zfs 1998, 236; zfs 2002, 47; VGH Bad.-Württ. zfs 2004, 43; VG Saarlouis DAR 2013, 408).

Das VG Neustadt (zfs 2000, 41) will von diesem Grundsatz jedoch dann abweichen, wenn der Betroffene das von ihm tatsächlich eingeholte Gutachten der Behörde nicht vorlegen will. Dann soll nach seiner Auffassung auf die Ungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden können, ohne dass es einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Anordnung bedürfte. Dieser Rechtsprechung kann nicht gefolgt werden, denn ein Betroffener, der ein Gutachten einholt, kann nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der sich weigert, der Anordnung Folge zu leisten.

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