1. EU-Recht und Freizügigkeitsgesetz
Rz. 6
Aufgrund der in der EU geltenden Grundfreiheiten (hier Art. 45 AEUV) gilt für die Bürger der EU sowie für die Bürger des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR, Mitgliedstaaten der EU sowie Island, Liechtenstein und Norwegen), dass sie für die Einreise nach Deutschland und den Aufenthalt in Deutschland keinen Aufenthaltstitel benötigen. Es besteht lediglich eine Meldepflicht. Das Aufenthaltsrecht begründet gleichzeitig das Recht, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Dementsprechend stellen § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2 und § 12 FreizügG/EU klar: gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:
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Unionsbürger und EWR-Staatsangehörige, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, |
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Unionsbürger und EWR-Staatangehörige, wenn sie zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbstständige Erwerbstätige), |
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Außerdem sind Staatsangehörige der Schweiz nach Maßgabe des Abkommens vom 21.6.1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl L 114 vom 30.4.2002, S. 430–467) vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. |
2. Nicht-EU-Staatsangehörige
Rz. 7
Die Zulässigkeit einer Arbeitsaufnahme durch Nicht-EU-Staatsangehörige richtet sich nach § 4a Abs. 1 AufenthG. Das Aufenthaltsgesetz wurde durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom 15.8.2019, BGBl I, 1307, neu strukturiert. Nach dem AufenthG a.F. war Ausländern, die einen Aufenthaltstitel erhielten, verboten, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Eine Erwerbstätigkeit musste über eine Arbeitserlaubnis gesondert erlaubt werden (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Das AufenthG n.F. regelt nun, dass die Aufenthaltstitel gleichzeitig eine Erwerbstätigkeit erlauben, es sei denn, die Erwerbstätigkeit ist aufgrund eines Gesetzes verboten (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt). Zudem kann die Erwerbstätigkeit durch ein Gesetz beschränkt werden. Aufenthaltstitel sind nach § 4 Abs. 1 AufenthG:
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Schengenvisum, das aber regelmäßig nicht zur Erwerbstätigkeit berechtigt, § 6 Abs. 1–2a AufenthG, |
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nationales Visum, § 6 Abs. 3 AufenthG, |
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Aufenthaltserlaubnis, § 7 AufenthG, berechtigt nur ausnahmsweise nicht zur Erwerbstätigkeit, wenn sie zu einem nicht im Aufenthaltsgesetz geregelten Zweck erteilt wird, § 7 Abs. 1 S. 3 und 4 AufenthG, |
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Blaue Karte EU, § 18b Abs. 2 AufenthG, |
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ICT-Karte, § 19 AufenthG, |
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Mobiler-ICT-Karte, § 19b AufenthG, |
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Niederlassungserlaubnis, § 9 AufenthG, |
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Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU, § 9a AufenthG. |
Grundsätzlich entscheidet die am Aufenthaltsort zuständige örtliche Ausländerbehörde über die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Wird der Antrag aus dem Ausland bei einer deutschen Auslandsvertretung gestellt, wird ein solcher Visums-Antrag an die inländische Ausländerbehörde zur Zustimmung weitergeleitet. Als sog. One-Stop-Government bezeichnet man die gebündelte Behördenzuständigkeit bei der Ausländerbehörde, d.h. die Ausländerbehörde konsultiert verwaltungsintern die Agentur für Arbeit und ersucht sie um ihre Stellungnahme. In diesem Rahmen findet dann auch die sog. Vorrangprüfung statt. Dabei wird geprüft, ob sich auf eine freie Arbeitsstelle deutsche oder andere ausländische Arbeitnehmer bewerben, die bereits über einen Aufenthaltstitel verfügen. Nur wenn dieser Vorrang nicht erfüllt ist, kann eine befristete Aufenthaltserlaubnis zusammen mit der Erlaubnis zur Beschäftigung nach den näheren Bestimmungen des AufenthG und anderer Normen erteilt werden. Die Beschäftigungsverordnung regelt für bestimmte Personengruppen und Mangelberufe, dass die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit oder die Vorrangprüfung nicht erforderlich ist.
Rz. 8
Besonderheiten und Erleichterungen für den Zuzug und die Aufnahme einer nicht selbstständigen Erwerbstätigkeit gab es schon immer in zahlreichen Ausnahmeregelungen. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das zum 1.3.2020 in Kraft trat, wurde ein beschleunigtes Verfahren für Fachkräfte und sonstige qualifizierte Beschäftigte (§ 81a AufenthG) eingeführt und wurde für die Erteilung von bestimmten Aufenthaltstiteln an Fachkräfte auf die Vorrangprüfung verzichtet. Das beschleunigte Fachkräfteverfahren wird vom Arbeitgeber in Vollmacht des Ausländers beantragt und erfordert die Zahlung einer erhöhten Gebühr und den Abschluss einer Vereinbarung zwischen der Ausländerbehörde und dem Arbeitgeber. Voraussetzung für das beschleunigte Fachkräfteverfahren ist, dass der Ausländer zu einem der folgenden Zwecke einreisen will:
Rz. 9
Die Blaue Karte EU, § 18b Abs. 2 AufenthG, ist ein Aufenthaltstitel für besonders qualifizierte Drittstaatenangehörige. Rechtsgrun...