A. Verträge im Inland mit Ausländern
Rz. 1
Bei der Beschäftigung von Ausländern im Inland, ohne dass ein weiterer grenzüberschreitender Bezug des Arbeitsverhältnisses vorhanden ist (vgl. zu diesen Fällen unter § 65 Rdn 1 ff.), sind folgende Punkte zu differenzieren:
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die Bedeutung der Staatsangehörigkeit für das auf den Arbeitsvertrag anwendbare (internationale) Recht (dazu unter Rdn 2 f.), |
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die Bedeutung der Staatsangehörigkeit für das nationale inländische Arbeitsrecht (dazu unter Rdn 4 ff.), |
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sowie die Bedeutung von Sprache, Kultur und Herkunft der Ausländer (dazu unter Rdn 10 ff.). |
Nach der gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 1 AufenthG ist Ausländer jeder, der nicht Deutscher i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG ist.
B. Bedeutung der Staatsangehörigkeit für das anwendbare (internationale) Recht
Rz. 2
Weist in einem Arbeitsverhältnis innerhalb der BRD der Sachverhalt einen Auslandsbezug nur dadurch auf, dass der Arbeitnehmer eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, so hat dies für die Frage des auf den Arbeitsvertrag anwendbaren Rechts gem. Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO im Ergebnis keine Bedeutung. Als europäische VO regelt die Rom I-VO das internationale Privatrecht, soweit es auf vertraglichen Schuldverhältnissen beruht. Sie ist das Pendant zum internationalen Zivil-Verfahrensrecht, das in der VO Brüssel I, auch bekannt als EuGVVO, geregelt ist. Das bedeutet, auf das Arbeitsverhältnis findet, da der gewöhnliche Arbeitsort im Inland liegt, deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Nur wenn die Gesamtheit der Umstände des Arbeitsverhältnisses eindeutig einen überwiegenden Bezug zu einem anderen Staat hätte – und allein die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers reicht dazu nicht (vgl. AnwK-ArbR/Mauer, Art. 27, 30 EGBGB, Rn 31) – könnte dies nach Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO objektiv zur Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung führen.
Rz. 3
Eine davon zu trennende Frage ist die, ob die Parteien des Arbeitsvertrages die ausländische Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers zum Anlass nehmen, eine zulässige Rechtswahl gem. Art. 3, 8 Rom I-VO (vormals Art. 27, 30 EGBGB) im Arbeitsvertrag oder zum Arbeitsvertrag vorzunehmen. In einem solchen Fall ist jedoch die Staatsangehörigkeit nicht der Grund, sondern nur der Anlass für die Anwendbarkeit einer ausländischen Rechtsordnung. In einem solchen Fall bleibt gleichwohl das inländische deutsche Arbeitsrecht anwendbar, wenn es für den Arbeitnehmer günstiger ist (vgl. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO). Zudem bleiben die inländischen Eingriffsnormen anwendbar (vgl. Art. 9 Rom I-VO).
C. Bedeutung der Staatsangehörigkeit für das nationale Arbeitsrecht
Rz. 4
Innerhalb der BRD erlangt die Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers ihre Bedeutung, was nachfolgend im Überblick darzustellen ist.
I. Voraussetzung der Zulässigkeit der Arbeitsaufnahme im Inland
Rz. 5
Die Zulässigkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Inland ist durch das öffentliche Recht, und zwar das europäische Recht sowie das nationale Verwaltungsrecht vorgegeben. Arbeitsrechtlich wird der Bezug zum Arbeitsvertrag über das öffentlich-rechtliche Beschäftigungsverbot nach § 4a Abs. 5 S. 1 AufenthG hergestellt, nicht jedoch über § 134 BGB (BAG v. 13.1.1977 – 2 AZR 423/75). Danach ist der Arbeitsvertrag zwar nicht unwirksam, wenn der Ausländer über keinen Aufenthaltstitel oder keine Arbeitserlaubnis verfügt. Die Beschäftigung eines Ausländers ohne das Vorliegen der öffentlich-rechtlichen Erlaubnisse ist jedoch verboten und führt darüber hinaus zur Leistungsstörung des Vertrages. Wird der Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnistitel gar nicht erst erteilt oder aber entzogen, so liegt eine dauerhafte Leistungsstörung vor. Ist über die beantragte Wiedererteilung der Arbeitserlaubnis noch nicht rechtskräftig entschieden, ist eine personenbedingte Kündigung gleichwohl gerechtfertigt, wenn zum Zeitpunkt ihres Ausspruches nicht feststeht, dass bei objektiver Beurteilung in absehbarer Zeit mit der Erteilung der Arbeitserlaubnis gerechnet werden kann und es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, den Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer freizuhalten (LAG Hamm v. 9.2.1999 – 6 Sa 1700/98). Das Gleiche muss nach der Änderung des Aufenthaltsgesetzes durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (dazu unter Rdn 7) auch gelten, wenn über die Verlängerung oder Wiedererteilung eines Aufenthaltstitels noch nicht rechtskräftig entschieden ist und bei objektiver Beurteilung in absehbarer Zeit nicht mit der Erteilung des Aufenthaltstitels gerechnet werden kann und es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, den Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer freizuhalten.
II. Öffentlich-rechtliche Voraussetzungen
1. EU-Recht und Freizügigkeitsgesetz
Rz. 6
Aufgrund der in der EU geltenden Grundfreiheiten (hier Art. 45 AEUV) gilt für die Bürger der EU sowie für die Bürger des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR, Mitgliedstaaten der EU sowie Island, Liechtenstein und Norwegen), dass sie für die Einreise nach Deutschland und den Aufenthalt in Deutschland keinen Aufenthaltstitel benötigen. Es besteht lediglich eine Meldepflicht. Das Aufenthaltsrecht begründet gleichzeitig das Recht, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Dementsprechend stellen § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2 und § 12 FreizügG/EU klar: gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:
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Unionsbürger und EWR-Staatsangehörige, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeits... |