I. Erfasste Arbeitgeber
Rz. 7
Das AEntG gilt für alle Arbeitgeber mit Sitz im Inland oder Ausland, soweit sie Arbeitnehmer im Inland beschäftigen, § 2 AEntG. Alle Arbeitgeber müssen die Mindestarbeitsbedingungen einhalten, die durch Gesetz oder sonstige Rechtsvorschrift vorgeschrieben sind und sich auf die Elemente erstrecken, die in § 2 AEntG aufgelistet sind. Die Arbeitsbedingungen, die § 2 AEntG auflistet, sind gleichzeitig Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Rom I-VO. Zu diesen Eingriffsnormen gehören hingegen nicht allgemeinverbindliche Tarifverträge. Dies ist der Grund für die etwas komplizierte und selektive Einbeziehung bestimmter Branchen in die Tarifvertragsgeltung über die §§ 3–9 AEntG.
In Bezug auf die darüber hinaus gehende Pflicht zur Einhaltung von tarifvertraglichen Pflichten gilt das AEntG nur für bestimmte Branchen. Dies sind die in § 4 Abs. 1 aufgelisteten Branchen-Arbeitgeber:
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Betriebe des Baugewerbes, dies sind solche, die nach dem Überwiegensprinzip bezogen auf die Gesamtarbeitszeit aller Beschäftigten im jeweiligen Kalenderjahr vornehmlich Bauleistungen i.S.v. § 101 Abs. 2 SGB III erbringen (st. Rspr. BAG v. 24.8.1994 – 10 AZR 980/93, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 181; BAG v. 26.9.2007 – 10 AZR 415/06; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 500/11; BAG v. 21.1.2015 – 10 AZR 55/14). Nicht maßgeblich sind umgekehrt der Anteil baulicher Leistungen am Umsatz oder Verdienst (BAG v. 25.1.2005 – 9 AZR 258/04; BAG v. 16.6.2010 – 4 AZR 934/08). Erfasst sind auch Montagebetriebe, welche Montageleistungen überwiegend auf Baustellen erbringen (§ 6 Abs. 1 AEntG); weiterhin fallen neben dem Betrieb auch Betriebsabteilungen unter die Vorschrift. Die jeweils maßgebliche Betriebs(abteilungs)definition wird durch den TV definiert, um eine einheitliche Handhabung zu gewährleisten (BAG v. 28.9.2005 – 10 AZR 28/05), |
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Betriebe des Gebäudereinigerhandwerks, |
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Briefdienstleistungs-Unternehmen, |
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Betriebe für Sicherheitsdienstleistungen, |
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Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken, |
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Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft, |
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Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst, |
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Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder SGB III. |
Der neue § 4 Abs. 2 AEntG ist mit Wirkung ab dem 16.8.2014 an die Stelle des außer Kraft getretenen MiArbBedG getreten. Er eröffnet in Verbindung mit § 7 AEntG die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung weitere tarifliche Arbeitsbedingungen auf die ohnehin durch § 4 Abs. 1 AEntG erfassten Branchen zu erstrecken. § 7a AEntG schafft die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung weitere Branchen mit einzubeziehen. Ziel dieser Regelung ist es, einen Verdrängungswettbewerb zulasten inländischer Arbeitgeber in weiteren Branchen zu verhindern. Für eine solche Erstreckung, die in jeder Branche auftreten kann, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein (so bereits BVerfG v. 11.7.2006 – 1 BvL 4/00 zu den Voraussetzungen einer Tariftreueerklärung).
II. Erfasste Arbeitnehmer
Rz. 8
Erfasst werden Arbeitnehmer i.S.d. inländischen Arbeitnehmerbegriffs, worunter auch sog. Scheinselbstständige und Ein-Mann-Werkunternehmer fallen können.
Rz. 9
Für Leiharbeitnehmer muss der Verleiher gem. § 8 Abs. 3 AEntG zumindest die in dem einschlägigen Tarifvertrag oder einer anwendbaren Rechtsverordnung vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen gewähren sowie die der gemeinsamen Einrichtung nach diesem Tarifvertrag zustehenden Beiträge leisten.
III. Erfasste Arbeitsbedingungen
Rz. 10
Nach § 2 AEntG fallen folgende Arbeitsbedingungen in den Anwendungsbereich des Gesetzes:
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die Entlohnung einschließlich der Überstundensätze, ohne die Regelungen über die betriebliche Altersversorgung, |
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der bezahlte Mindestjahresurlaub, |
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die Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, |
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die Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insb. durch Leiharbeitsunternehmen, |
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die Sicherheit, den Gesundheitsschutz und die Hygiene am Arbeitsplatz, |
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die Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen und |
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die Gleichbehandlung der Geschlechter sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen und |
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die Zulagen oder die Kostenerstattung zur Deckung der Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die aus beruflichen Gründen von ihrem Wohnort entfernt sind. |
Was im Einzelnen unter die Mindestbedingungen fällt, kann schwierig zu bestimmen sein. Die seit dem 30.7.2020 geltenden §§ 2a und 2b AEntG (eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.6.2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vom 10.7.2020, BGBl I, 1657) regeln den Gegenstand der Entlohnung und die Anrechenbarkeit von Entsendezulagen näher. Der EuGH hat hierzu für den Fall einer Tarifbindung im Herkunftsstaat (Polen) ebenso wie im Einsatzstaat (Finnland) festgestellt, dass alle Entgeltbestandteile im Einsatzstaat unter Art. 3 der Richtlinie 96/71 fallen, die ...