Gertrud Romeis, Jürgen Beck
Rz. 107
Grds. genießen mit dem Beitritt alle Staatsangehörigen der o.g. Staaten die gleichen Rechte wie die Angehörigen der der EU bereits angehörenden Staaten. Dies gilt vor allem für das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer sowie das Recht auf Dienstleistungsfreiheit aus Art. 39 ff., 49 ff. des EG-Vertrages.
Rz. 108
Allerdings enthielt bzw. enthält der EU-Beitrittsvertrag mit allen Beitrittsstaaten – mit Ausnahme von Malta und Zypern – Übergangsbestimmungen, nach denen diese Rechte ganz oder teilweise erst mit einer zeitlichen Verzögerung geltend gemacht werden können.
Rz. 109
Das bedeutet, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit und zu einem geringen Teil auch die Dienstleistungsfreiheit im Rahmen eines flexiblen Modelles ("2 + 3 + 2 Jahre") für bis zu längstens sieben Jahre aufgeschoben werden konnten.
Rz. 110
Deutschland hat von seinem Recht aus diesen Übergangsvorschriften zunächst für die nächsten zwei Jahre sowie die folgenden drei Jahre nach dem Beitritt aufgrund der Arbeitsmarktlage Gebrauch gemacht. Über die weitere Inanspruchnahme dieser Möglichkeit wurde erst 2009 entschieden. Die Abschottung konnte aber nur bis max. 2011 bzw. gegen Rumänien und Bulgarien bis 2014 und gegen Kroatien bis 2020 vorgenommen werden. Danach gilt die uneingeschränkte Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit.
Rz. 111
Während der Übergangszeit behalten für die Zulassung der Angehörigen aus den Beitrittsstaaten zur Ausübung von Beschäftigungen als Arbeitnehmer in Deutschland damit die nationalen Vorschriften bzw. die mit den Beitrittsstaaten bestehenden bilateralen Vereinbarungen weiterhin Gültigkeit. Danach müssen nach dem geltenden Arbeitsgenehmigungsrecht in Deutschland Angehörige aus den Beitrittsstaaten in der Übergangszeit (gilt nur noch für Kroatien) bis längstens 2020 auch weiterhin grds. eine Arbeitsgenehmigung vor Aufnahme einer Beschäftigung einholen.
Rz. 112
Eine Ausnahme gibt es seit 2007 für Ingenieurberufe, für die in Deutschland Arbeitskräfte nicht zu bekommen sind.
Rz. 113
Die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an Staatsangehörige aus Kroatien, die neu zur Aufnahme einer Beschäftigung nach Deutschland einreisen wollen, richtet sich nach dem AufenthG, § 284 SGB III n.F., der BeschV und BeschVerfV, der VO über die Arbeitsgenehmigung für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie nach den bilateralen Vereinbarungen der Bundesrepublik mit diesem Staat, insb. über Gast- und Werkvertragsarbeitnehmer. Grundlage für die letztgenannten Bestimmungen sind auch die Entsenderegelungen der §§ 4 ff. SGB IV.
Rz. 114
Allerdings sollen die Angehörigen der Beitrittsstaaten nicht hinter ihren bisherigen Rechtsstatus zurückfallen. Deshalb bleiben die zum Zeitpunkt des Beitrittes bestehenden Zugangsmöglichkeiten zum deutschen Arbeitsmarkt, wie sie sich bisher schon aus dem deutschen Recht und aus bilateralen Vereinbarungen ergeben, vorbehaltlich besonderer Regelungen des Beitrittsvertrages sowohl für Neueinreisende als auch für bereits in Deutschland lebende "Neu-EU-Bürger" in vollem Umfang aufrechterhalten.
Rz. 115
Auf Gastarbeitnehmer, die am Tag des Beitrittes oder nach dem Beitritt für einen ununterbrochenen Zeitraum von zwölf Monaten oder länger zum Arbeitsmarkt zugelassen waren, finden besondere Vergünstigungen (s.u.) entsprechende Anwendung. Auch die Werkvertragsarbeitnehmervereinbarungen über die Entsendung von Arbeitnehmern gelten weiter.
Rz. 116
Für die Staatsangehörigen aus den Beitrittsländern, die bereits im Zeitpunkt des Beitrittes oder danach seit mindestens 12 Monaten bei einem Arbeitgeber in Deutschland beschäftigt sind, sieht der Beitrittsvertrag vor, dass sie ein uneingeschränktes Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Dies gilt auch für ihre Familienangehörigen, die im Zeitpunkt des Beitritts rechtmäßig bei ihnen wohnen oder sich nach späterer Einreise mindestens 18 Monate rechtmäßig in Deutschland aufgehalten haben.
Rz. 117
Darüber hinaus besitzen Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern nach dem Beitrittsvertrag sowie nach der Neufassung des § 284 Abs. 4 SGB III bei der Neuzulassung zu Beschäftigungen in Deutschland grds. Vorrang vor der Zulassung von Arbeitskräften aus Drittstaaten (sog. Gemeinschaftspräferenz).
Rz. 118
Allerdings dürfen Dienstleistungen in Form der Arbeitnehmerüberlassung nicht erbracht werden. Verleiher dürfen dem deutschen Arbeitsmarkt aufgrund der eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit während der Übergangszeit weder aus den Beitrittsländern noch aus Drittstaaten Arbeitskräfte zuführen. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 284 SGB III ist eine Tätigkeit von Angehörigen der Beitrittsstaaten als Leiharbeitnehmer nicht möglich.