Gertrud Romeis, Jürgen Beck
Rz. 144
Nach damaliger Auffassung des BMWI (abrufbar auf den Internetseiten des BMWI unter www.bmwi.de: Informationen über die Anwendung des EU-Beitrittsvertrages bei der Beschäftigung von Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten Nr. 3.9.) sollte der Einsatz von ausländischen Mitarbeitern, die nicht Angehörige der Beitrittsstaaten oder anderer EU-Mitgliedsstaaten sind, aber bei einem Unternehmen mit Sitz in den Beitrittsstaaten arbeiten und in Deutschland eingesetzt werden sollen, auf die Mitarbeiter beschränkt sein, die bereits ein Jahr dem entsendenden Unternehmen angehören. Diese Auffassung hat sich als nicht haltbar herausgestellt.
Rz. 145
Ob für den Einsatz in anderen Wirtschaftsbereichen auch weiterhin die Kriterien zu gelten haben, die der EuGH im Fall "Van der Elst" (EuGH v. 25.10.2001 – Rs. C-43/93, Sammlung 1994 I, 3803 ff.) entwickelt hat, mag im Hinblick auf die VO 859/2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der VO (EG) Nr. 883/2004 bzw. früher EWG-VO 1408/71 und 574/72 (v. 14.5.2003) auf Drittstaatsangehörige (Abl. Nr. L 124 v. 10.5.2003) fraglich sein. Nach dieser VO wird u.a. die VO (EG) Nr. 883/2004 bzw. früher EWG-VO 1408/71 auf Personen ausgedehnt, die ihr allein wegen ihrer Staatsangehörigkeit nicht unterfallen. Der EuGH hatte seinerzeit verlangt, dass diese Mitarbeiter zur Stammbelegschaft des Unternehmens, das in den Beitrittsstaaten seinen Sitz hat, gehören und dazu vor der (lediglich vorübergehenden) Entsendung ins Ausland schon mindestens ein Jahr bei dem Unternehmen beschäftigt sein müssen. Eine solche Forderung hatten selbst die Spitzenverbände der deutschen Sozialversicherungsträger ausweislich der "Richtlinien … bei Ausstrahlung und Einstrahlung" v. 20.11.1997 (Aichberger, 4/30) nicht erhoben.
Rz. 146
Dazu hat das Urteil des EuGH am 19.1.2006 (Kommission./.BRD – C-244/04, Slg. 2006 I 00885) eine Klarstellung gebracht. Danach verstößt ein Mitgliedstaat, der sich nicht darauf beschränkt, die Entsendung von Arbeitnehmern, die Angehörige von Drittstaaten sind und in seinem Hoheitsgebiet Dienstleistungen erbringen sollen, von der vorherigen Abgabe einer einfachen Erklärung durch das in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen, das die Entsendung dieser Arbeitnehmer plant, abhängig zu machen, und der verlangt, dass die Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr bei diesem Unternehmen beschäftigt sind, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 EGV. Aber auch die Pflicht, eine Vorbeschäftigungszeit von sechs Monaten zu fordern, ist nach Ansicht des EuGH unzulässig. Der Gerichtshof verweist dazu auf ein Urteil "Kommission./.Luxemburg". Es ist damit von einer Vorbeschäftigungszeit von einem Monat auszugehen.
Rz. 147
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der EuGH der Gefahr des Lohndumpings dadurch begegnen will, dass er zulässt, dass die nationalen Vorschriften über Mindestlöhne auf alle Personen erstreckt werden können, die sich auch nur vorübergehend in dem Staat aufhalten und dort beschäftigt werden.