Gertrud Romeis, Jürgen Beck
Rz. 1
Grenzüberschreitende Personaleinsätze ins Ausland werfen verschiedene rechtliche und vertragstechnische Fragen auf. Eine Typologie kann wie folgt dargestellt werden:
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Dienstreise: Klassischer Fall des Kurzzeiteinsatzes im Ausland, geringe Kollision mit ausländischem Arbeitsrecht; |
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Montageeinsätze: Bei inländischer Anbindung an das Heimatunternehmen häufige Wechsel der Einsatzstaaten bei kurz- bis mittelfristiger Einsatzdauer (wenige Tage bis zu 12 Monaten); |
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Die Entsendung: Mittelfristige bis langfristige Auslandseinsätze, sechs Monate bis zu zehn Jahren, regelmäßig aber nicht länger als fünf Jahre, hohe Kollisionsanfälligkeit, hohe Anfälligkeit für fehlerhafte Vertragsgestaltung; |
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Die Versetzung: Lokale Vertragsanbindung im Ausland bei gleichzeitigem Ruhendstellen des inländischen Arbeitsverhältnisses, geringe Kollisionsproblematik, soweit nicht deutsches Recht für das lokale Arbeitsverhältnis gewählt wird; |
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Der Übertritt: Arbeitgeber- und Vertragsstatutwechsel bei dauerhaftem Wechsel des Arbeitsortes ins Ausland. |
Rz. 2
Diese Vertragstypologien werden in der Praxis der Unternehmen sehr häufig miteinander vermengt. Nicht aus Kalkül, um die Arbeitnehmer zu übervorteilen, sondern zumeist aus schlichter Unkenntnis über die Voraussetzungen und Folgen der Vertragsgestaltung. Während bei der Dienstreise, bei Montageeinsätzen und Entsendungen ein Arbeitsvertrag nur mit dem heimischen Arbeitgeber besteht, ist dies bei der sog. Versetzung anders; ebenso wie bei komplexeren Modellen wie gespaltenen Arbeitsverhältnissen, die aber eher selten auftauchen. Insb. bei der Entsendung herrscht bei den Unternehmen in der Praxis viel Verwirrung, was primär aus der Unkenntnis der rechtlichen Einordnung einer Entsendung resultiert.
Rz. 3
Arbeitsrechtlich treten unter anderem folgende Fragen auf:
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Welches materielle Arbeitsrecht findet während des Auslandseinsatzes Anwendung? |
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Ist eine Rechtswahl im Vertrag zulässig? |
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Welches Gericht ist für Streitigkeiten zuständig? |
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Wie sind unternehmensinterne "Richtlinien" zu bewerten? |
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Welche Mitbestimmungsrechte sind zu berücksichtigen? |
1. Anwendbares materielles Recht
Rz. 4
Das Arbeitsrecht verfügt als Teil des Zivilrechts über eigene internationale Kollisionsregeln. Die zentralen Regelungen sind für Altfälle in den Art. 30, 27 und 34 EGBGB und für ab dem 17.12.2009 geschlossenen Verträge in den Art. 3, 8 und 9 der europäischen Rom I-VO geregelt.
Rz. 5
Anknüpfungspunkt für das objektiv auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht ist grundsätzlich der gewöhnliche Arbeitsort (vgl. Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO). Wird der Arbeitnehmer gewöhnlich in ein und demselben Staat eingesetzt, bleibt materiell das inländische Recht anwendbar, selbst wenn der Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland entsandt wird. Eine zeitliche Obergrenze gibt das Gesetz nicht an (hierzu EuGH v. 15.3.2011 – C-29/10 – Rs. Koelzsch, mit Anm. Boemke, jurisPR-ArbR 21/2011 Anm. 1).
Rz. 6
Eine weitere Regel besagt, dass dann, wenn der Arbeitnehmer vertraglich gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat eingesetzt wird, das Recht der ihn einstellenden Niederlassung gilt (vgl. Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO; hierzu (EuGH v. 15.12.2011 – C-384/10 – Rs. Voogsgeerd, mit Anm. Gräf, jurisPR-ArbR 41/2013 Anm. 2).
Rz. 7
Weiterhin existiert die Ausweichklausel, die besagt, dass sich aus den Gesamtumständen ergeben kann, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Arbeitsortes oder dem der einstellenden Niederlassung hat und dass daher das Recht dieses Staates gelten soll (vgl. Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO).
Rz. 8
Aufgrund dieser Grundregeln gibt es zwar viele – auf den ersten Blick – eindeutige Rechtsanknüpfungen, jedoch sind die schwierig abzugrenzenden Fälle weit verbreitet. Ob z.B. ein Arbeitnehmer mit einem unbefristeten inländischen Vertrag, der ihn zu Dienstreisen auch ins Ausland verpflichtet, und der tatsächlich kontinuierlich Dienstreisen von kurzer Dauer ins Ausland unternimmt, einen noch gewöhnlichen Arbeitsort im Inland hat oder bereits zu den Mehrstaaten-Arbeitnehmern gehört, ist im Einzelfall durch die Gerichte festzustellen. Dies begründet für all diese Fälle ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Weitere Rechtsunsicherheit begründet zudem die Ausweichklausel, wie einige Verfahren aufzeigen: vgl. LAG Baden-Württemberg v. 15.10.2002 – 11 Sa 49/02; nachfolgend bestätigt durch das BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 627/02; LAG Hessen v. 13.11.2006 – 17 Sa 816/06; nachfolgend BAG v. 13.11.2007 – 9 AZR 134/07, Aufhebung und Zurückverweisung wegen nicht hinreichender Klärung, ob – nicht doch – deutsches Recht anwendbar ist; daraufhin erneut LAG Hessen v. 25.8.2008 – 17 Sa 570/08.
Rz. 9
Nach den vorgenannten Entscheidungen helfen folgende Indizien dabei, das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht festzustellen: die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, der Sitz des Arbeitgebers, der Wohnort des Arbeitnehmers und die Unterwerfung des Vertrags unter einen bestimmten Gerichtsstand. Ergänzend zu berücksichtigen sind die Vertragssprache un...