Gertrud Romeis, Jürgen Beck
1. Wohnsitz
Rz. 40
Nach § 8 AO hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (allgemein dazu BMF-Schreiben v. 18.1.1990, BStBl I 1990, 50). Das Steuerrecht knüpft entgegen §§ 7, 8 BGB nicht an den rechtsgeschäftlichen Willen des Steuerpflichtigen an, sondern an die tatsächliche Gestaltung (BFH v. 4.6.1964, BStBl III 1964, 535; BFH v. 23.11.1988, BStBl II 1989, 182 Abweichung des steuerlichen Wohnsitzbegriffes von dem des Polizeirechtes: Zur polizeilichen An- und Abmeldung s. BFH v. 30.10.2002 – VIII R 86/00).
Rz. 41
Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, was bedeutet, dass er rechtlich und tatsächlich über die Wohnung als solche für seine Wohnzwecke verfügen kann (BFH v. 23.11.1988, BStBl II 1989, 182). Bei einem ins Ausland versetzten Arbeitnehmer begründet die Beibehaltung einer eingerichteten Wohnung im Inland eine Vermutung für das Fortbestehen eines inländischen Wohnsitzes.
Rz. 42
Grds. reicht die Nutzung einer Wohnung durch Familienangehörige aus, um auch für den Steuerpflichtigen einen Wohnsitz zu begründen. Bei vorübergehender beruflicher Auslandstätigkeit des Steuerpflichtigen ist deshalb grds. der Wohnsitz des Ehepartners bzw. der Familie auch der des Steuerpflichtigen (OFD Frankfurt v. 15.11.1965, DB 1965, 1886; RFH v. 10.3.1937, RStBl. 1937, 498; BFH v. 6.2.1985, BStBl II 1985, 331). Dies soll bei längeren Auslandstätigkeiten dann nicht mehr der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige den Umständen nach nicht mehr ins Inland zurückkommen wird (vgl. BFH v. 26.7.1972, BStBl II 1972, 949) und den Familienwohnsitz nicht mehr als Lebensmittelpunkt ansieht (RFH v. 10.3.1937, RStBl. 1937, 498;).
Rz. 43
Für die Annahme der Wohnsitzaufgabe ist erforderlich, dass die Wohnung aufgelöst oder tatsächlich nicht mehr genutzt wird, und zwar weder durch den Steuerpflichtigen selbst noch durch seine Angehörigen. Entscheidend bei der Beurteilung sind die Umstände des konkreten Einzelfalles. Bei ledigen Arbeitnehmern ist bei einer längerfristigen Auslandstätigkeit grds. eher von einer Aufgabe des Wohnsitzes auszugehen als bei Verheirateten (BFH v. 17.3.1961, BStBl III 1961, 298; vgl. auch Gross, IWB, F. 3 Gr. 6, S. 347, 350). Der Wegzug ins Ausland kann die Aufgabe des Wohnsitzes bedeuten, wenn der Steuerpflichtige seine Wohnung für mehrere Jahre an einen Dritten vermietet und die Möbel einlagern lässt (FG Hamburg v. 28.10.1983, EFG 1984, 294). Hingegen keine Aufgabe des Wohnsitzes, wenn die Wohnung bei einem von vornherein zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalt lediglich zum Zweck der Bewachung vermietet wird (FG Schleswig-Holstein v. 12.5.1981, EFG 1982, 5). Bei einer zeitlich befristeten Vermietung während einer Auslandstätigkeit im Wechsel mit zwei- bis dreimonatigen Selbstnutzungen der Wohnung ist ebenfalls keine Aufgabe anzunehmen (FG Hamburg v. 12.9.1991, EFG 1992, 277). Wird die Wohnung vollständig eingerichtet zurückgelassen und nicht vermietet, können die Besonderheiten des Einzelfalles dafür sprechen, dass der inländische Wohnsitz nicht aufgegeben wird (BFH v. 23.10.1985, BStBl II 1986, 133; BFH v. 17.5.1995, BFHE 178, 294). Bei einer Abordnung über mehrere Jahre kann der Wohnsitz aufgegeben sein, wenn der Arbeitnehmer und seine Familie die eigene, inländische Wohnung nicht oder nur in großen Zeitabständen und dann auch nur kurzfristig (fünf bis sechs Wochen pro Jahr) zu Erholungszwecken nutzen (BFH v. 6.3.1968, BStBl II 1968, 439). Trotz Auszug aus der bisherigen inländischen Wohnung und einer Auslandstätigkeit tritt keine Unterbrechung des Innehabens einer inländischen Wohnung ein, wenn der Steuerpflichtige innerhalb eines kurzen Zeitraumes nach Auszug eine andere inländische Wohnung bezieht (BFH v. 26.7.1972, BStBl II 1972, 949).
Rz. 44
Ist der Steuerpflichtige sowohl im Inland als auch in dem Staat, in dem er eine Auslandstätigkeit ausübt, ansässig (Doppelwohnsitz), bestimmt sich das Recht zur Besteuerung des Arbeitnehmers nach dem jeweils abgeschlossenen DBA (vgl. Art. 4 Abs. 2a) OECD-MA). Der Arbeitnehmer ist danach i.d.R. in dem Staat ansässig, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Bei zeitlich befristeten Abordnungen in das Ausland ist regelmäßig davon auszugehen, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen an das Inland enger sind als an den Auslandsstaat (BFH v. 23.10.1985, BStBl II 1986, 134; vgl. auch Gross, IWB, F. 3 Gr. 6, S. 347, 353). Besteht mit dem ausländischen Staat, in dem der Arbeitnehmer einen Doppelwohnsitz begründet hat, kein DBA, wird die aus dem Doppelwohnsitz resultierende Doppelbesteuerung in Deutschland unter den Voraussetzungen des ATE bzw. des § 34c EStG ganz oder teilweise beseitigt.
2. Gewöhnlicher Aufenthalt
Rz. 45
Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes setzt voraus, dass die äußeren Umstände erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer in dem Aufenthaltsgebiet oder an dem Aufenthaltsort nicht nur vorübergehend verweilt (a...