Rz. 14
In Reaktion auf das sog. Schumacker-Urteil des EuGH (EuGH v. 14.2.1995 – C 279/93, Slg. 1995 I, 225 = BB 1995, 438 ff.; vgl. auch IWB F. 11a, S. 25 ff. m. Anm. Thömmes) hat der deutsche Gesetzgeber die Besteuerung des Einpendlers (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort im Ausland, Tätigkeit im Inland) mit dem Jahressteuergesetz 1996 in den §§ 1 Abs. 3, 1a EStG insoweit neu geregelt, als die unbeschränkte Steuerpflicht bei wesentlicher Einkommenserzielung im Inland auf Antrag gem. § 1 Abs. 3 EStG fingiert wird (vgl. BMF-Schreiben v. 30.12.1996, BStBl I 1996, 1506). Grenzpendler i.S.d. § 1 Abs. 3 EStG ist, wer keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, soweit dessen Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen ESt unterliegen oder die nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte nicht den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG im Kalenderjahr übersteigen.
Rz. 15
Maßgeblich ist die Summe der Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 3 EStG (vgl. Brandis/Heuermann, EStG, § 2 Rn 81). Die Einkünfte müssen nach dem deutschen Einkommensteuerrecht steuerbar und steuerpflichtig sein. Nach § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 EStG ist der Betrag i.H.d. Grundfreibetrages nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG zu kürzen, wenn dies nach den Lebensverhältnissen des Wohnsitzstaats notwendig und angemessen ist. Seit 2004 wurde für steuerliche Zwecke eine Ländergruppeneinteilung vorgenommen. Die Drittelung wurde durch eine Viertelung ersetzt (BMF-Schreiben v. 17.11.2003, BStBl I 2003, 637, Ergänzung für Hongkong und Taiwan durch BMF-Schreiben v. 9.2.2005, BStBl I 2005, 369). Dabei ist zu beachten, dass auch bei EU-Staaten eine Kürzung des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG in Betracht kommt. Die Höhe der nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte ist gem. § 1 Abs. 3 S. 4 EStG durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachzuweisen (vgl. auch § 90 Abs. 2 AO).
a) Allgemeine Regelung
Rz. 16
Stellt der Einpendler den Antrag gem. § 1 Abs. 3 EStG, wird er wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger besteuert, d.h. die besonderen Regelungen der §§ 50 ff. EStG gelten nicht. Der Steuerabzug gem. § 50a EStG kann jedoch gem. § 1 Abs. 3 S. 5 EStG trotz fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht durchgeführt werden (vgl. auch BMF-Schreiben v. 28.12.1995, BStBl I 1996, 55); davon betroffen sind insb. Künstler und Sportler.
Rz. 17
Hat das Betriebsstättenfinanzamt eine Bescheinigung über die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG gem. § 39c Abs. 4 EStG ausgestellt, wird gem. § 46 Abs. 2 Nr. 7b EStG eine Pflichtveranlagung durchgeführt.
Rz. 18
Der Antrag gem. § 1 Abs. 3 EStG ist personengebunden und erstreckt sich nicht auf Angehörige. Erfüllt daher ein Ehegatte die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG nicht oder stellt er keinen Antrag, so kommen trotz fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht des Arbeitnehmers die Regelungen über die Zusammenveranlagung und alle daran geknüpften Vergünstigungen nicht zur Anwendung.
b) Besondere Regelungen für EU/EWR-Angehörige (§ 1a EStG)
Rz. 19
§ 1a Abs. 1 EStG sieht Steuerentlastungen für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU oder eines Staates des EWR (Island, Norwegen und ab 1996 Liechtenstein; die Schweiz ist hingegen nicht beigetreten) vor, wenn diese Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig sind oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden. Im Einzelnen:
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§ 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG: Sonderausgaben bzw. Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegatten sind auch dann abziehbar, wenn der Empfänger zwar beschränkt steuerpflichtig ist, jedoch in einem EU- oder EWR-Staat seinen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hat; die Besteuerung der Unterhaltsleistungen beim Empfänger ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachzuweisen. |
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§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG: Der nicht dauernd getrenntlebende Ehegatte mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem EU- oder EWR-Staat kann für die Anwendung des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG (Zusammenveranlagung) auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden. Bei Anwendung des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG ist auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG zu verdoppeln. |
Rz. 20
Gem. § 1a Abs. 2 EStG gelten die Bestimmungen des § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG auch für die sog. Auslandsbeamten i.S.d. § 1 Abs. 2 EStG, die an einem ausländischen Dienstort – auch außerhalb der EU bzw. EWR – tätig sind und deren Ehegatte und/oder Kind ihren Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Staat des ausländischen Dienstortes haben (vgl. auch BMF-Schreiben v. 8.10.1996, BStBl I 1996, 1191).
Rz. 21
Arbeitnehmer mit EU- bzw. EWR-Staatsangehörigkeit und Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem solchem Land unterliegen entweder gem. § 46 Abs. 2 Nr. 7 EStG der Pflichtveranlagung oder können gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eine Veranlagung beantragen.
Rz. 22
Für den Lohnsteuerabzug gelten §§ 38b und 39c Abs. 4 EStG (vgl. auch BMF-Schreiben v. 25.8.1995, DStR 1995...