Carsten Beisheim, Gertrud Romeis
Rz. 9
In den Fällen, in denen das Direktionsrecht nicht genügend Handlungsspielraum bietet, kann es für Arbeitgeber ratsam sein, mit den Arbeitnehmern arbeitsvertragliche Vereinbarungen, insbesondere in Gestalt von Vertragsergänzungen, abzuschließen.
Nachteilig für den Arbeitgeber ist dabei jedoch, dass standardisierte vertragliche Compliance-Richtlinien der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegen (Schreiber, NZA-RR 2010, 617, 623; Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386, 1390). Die Vorgaben dürfen demzufolge insbesondere nicht überraschend und mehrdeutig sein und zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen. Unangemessenheit in diesem Sinne kann etwa dann in Betracht kommen, wenn eine Regelung nicht klar und verständlich ist und der Arbeitnehmer angesichts zu vager Umschreibungen nicht wirklich erkennen kann, was konkret vom ihm erwartet wird.
Zudem nimmt sich der Arbeitgeber bei der Einführung mithilfe einer zweiseitigen Vereinbarung seine Flexibilität, denn zukünftige Anpassungen bedürfen stets weiterer – seitens des Arbeitnehmers zustimmungsbedürftiger – arbeitsvertraglicher Vereinbarungen (Schreiber, NZA-RR 2010, 617, 623; Schröder/Schreier, BB 2010, 2565, 2565 f.). Eine Pflicht zur Zustimmung besteht für die Arbeitnehmer indes explizit nicht. Eine solche lässt sich auch nicht aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Treuepflicht ableiten (Borgmann, NZA 2003, 352, 354; Schröder/Schreier, BB 2009, 2565, 2565 f.). Es ist gut denkbar, dass Arbeitnehmer eine derartige Zustimmung ablehnen, da sie durch eine solche keine Vorteile erfahren, sondern mit weiteren Pflichten belastet werden (Schulz/Kuhnke, BB 2012, 143, 148). Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr eines uneinheitlichen Compliance-Standards für die Belegschaft eines Unternehmens, ein untragbarer Zustand wäre die Folge (Vogt, NJOZ 2009, 4206, 4209).
Rz. 10
Eine praktikable Möglichkeit kann in diesem Zusammenhang eine Verweisung im Arbeitsvertrag auf bestehende Compliance-Richtlinien darstellen, wobei der Arbeitgeber dynamische Verweisungsklauseln verwenden sollte. Um einer AGB Kontrolle – insbesondere vor dem Hintergrund des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und des Verbots der unangemessenen Benachteiligung – standhalten zu können, sollte die dynamische Verweisungsklausel vorsehen, dass der Arbeitnehmer von dem Inhalt der jeweils geltenden Fassung und den Modifikationen in Kenntnis gesetzt wird und ferner die Gründe für die Änderungen des Compliance-Kodex angegeben werden (Schreiber, NZA-RR 2010, 617, 620). Dabei ist es auch wegen der Frage der Beweislast ratsam, dass das Unternehmen den Mitarbeitern die stets aktuellste Fassung mittels Kopie oder elektronisch zugänglich macht und sich die Kenntnisnahme bestätigen lässt. Am besten sollte dies auch hier durch ein unterschriebenes Empfangsbekenntnis geschehen (Schröder/Schreier, BB 2010, 2565, 2566).
Ein Verweis auf die jeweils geltenden Compliance-Richtlinien (dynamischer Verweis) kann – aufgrund der AGB-Kontrolle – im Ergebnis nur für solche Regelungsinhalte wirksam sein, die entweder ohnehin dem Direktionsrecht unterfielen und damit einseitig veränderbar sind oder die geltenden gesetzlichen Regelungen wiederholen (Hohmuth, BB 2014, 3061).
Rz. 11
Bei der Formulierung von dynamischen Verweisungsklauseln ist aufgrund der BAG-Rechtsprechung höchste Vorsicht geboten. Das BAG hat entschieden (BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08), dass eine Verweisung auf die jeweilige Fassung eines einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Regelungswerks gegen § 308 Nr. 4 BGB verstößt und daher unwirksam ist. In dieser Entscheidung hat das BAG die gesamte Verweisungsklausel für unwirksam erachtet und eine geltungserhaltende Reduktion abgelehnt.
In seinem Urt. v. 24.2.2011 (Anmerkung Zimmermann, ArbRAktuell 2011, 279) stellte das BAG wiederum die Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Klausel, die auf die jeweilige Fassung verweist, gemäß § 308 Nr. 4 BGB fest. Allerdings gelangte das BAG in dieser Entscheidung nicht zur vollständigen Unwirksamkeit der Klausel, sondern nahm eine Teilbarkeit der Klausel an. Folge davon war, dass die in Streit stehende Arbeitsordnung jedenfalls in der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages gültigen Fassung in Bezug genommen wurde. Auch wenn (Schreiber, NZA-RR 2010, 617, 620) eine Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB im Rahmen von Compliance-Richtlinien verneint, so sieht auch er einen möglichen Konflikt mit § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Rz. 12
Es ist daher unbedingt erforderlich, bereits bei der Vertragsgestaltung diesen lauernden Risiken entgegenzuwirken. Zur Lösung dieser Problematik bieten sich zwei Lösungswege an. Zum einen ist es möglich, die Anwendung der aktuellen Fassungen mit jedem Arbeitnehmer im Hinblick auf jedes einzelne Regelwerk getrennt zu vereinbaren. Dies kann mit einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag erfolgen (Straube/Klagges, ArbRAktuell 2011, 421, 423). Zum anderen ist eine Einbeziehung zukünftiger Regelwerke mittels Verweisungsklauseln möglich, we...