Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 140
Im Fall des Todes eines Freiberuflers bestehen i.d.R. besondere berufsständische Regelungen zum Schutz der Patienten bzw. Mandanten, die eine nahtlose Versorgung durch einen kompetenten Berufsträger sicherstellen sollen. So ist bspw. im Falle des Todes eines Rechtsanwalts kammerseitig ein Kanzleiabwickler zu bestellen, soweit zur Sicherstellung der weiteren Betreuung schwebender Mandate ein Bedürfnis besteht, vgl. § 55 BRAO. Entsprechende Regelungen finden sich in § 70 StBerG für Steuerberater und in § 55c WPO für Wirtschaftsprüfer.
Rz. 141
Der Abwickler ist rechtlich ein besonderer Vertreter der Erben. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beschränkt sich dabei auf die Kanzlei, ist insoweit aber umfassend. Soweit es um die schwebenden Mandatsverhältnisse einschließlich etwaiger Anderkonten geht, ist der Abwickler sogar ausschließlich verwaltungs- und verfügungsbefugt. Hieran ändert auch die Anordnung einer vorläufigen Nachlassinsolvenzverwaltung oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts. Zuständig für die Fortführung der Mandatsverhältnisse einschließlich der Einziehung und Auskehrung von Fremdgeldern ist und bleibt allein der Abwickler. Darüber hinaus ist der Abwickler neben dem Erben oder einem für diesen bestellten Nachlasspfleger bzw. auch neben einem späteren (vorläufigen) Insolvenzverwalter befugt, über Gegenstände des Kanzleivermögens zu verfügen, insbesondere Honorarforderungen zu stellen und einzuziehen. Allerdings ist für die gerichtlichen Geltendmachung von Honoraransprüchen nur der Insolvenzverwalter und nicht der Abwickler aktivlegitimiert.
Rz. 142
Soweit Erben, Nachlasspfleger oder ein Insolvenzverwalter solche Forderungen einziehen, sind sie verpflichtet, die Einnahmen an den Abwickler auszukehren, sofern und soweit dieser die Mittel für die Fortführung der Kanzlei benötigt. Der Insolvenzverwalter kann lediglich Herausgabe eines etwaig im Rahmen der Kanzleiabwicklung erwirtschafteten Überschusses beanspruchen (bei einer Anwaltskanzlei nach § 667 BGB i.V.m. §§ 55 Abs. 3 S. 1, 54 Abs. 1 S. 3 BRAO).
Rz. 143
Im Übrigen ist die Rechtslage bei Zusammentreffen von Abwicklung und Nachlassinsolvenz noch wenig ausgeleuchtet. Bislang nicht obergerichtlich geklärt ist insbesondere die Frage, inwieweit der Abwickler ab Verfahrenseröffnung materiell-rechtliche Bestimmungen des Insolvenzrechtes beachten muss, etwa, wenn es darum geht, Arbeitnehmer und Lieferanten zu befriedigen und ob und wie der Abwickler Masseverbindlichkeiten begründen darf. Nach wohl h.M. in der Literatur sowie einer Entscheidung des LG Aachen muss der Abwickler insolvenzrechtliche Vorgaben nicht beachten. Das heißt, dass er Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) befriedigen und auch ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters (de facto) Masseverbindlichkeiten begründen darf. Dies erscheint zweifelhaft. Jedenfalls empfiehlt sich eine stets enge Abstimmung zwischen Insolvenzverwalter und Abwickler.
Rz. 144
Weitgehend anerkannt ist, dass der Vergütungsanspruch des Abwicklers in einem Nachlassinsolvenzverfahren analog § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO als Masseverbindlichkeit zu befriedigen ist. Demgegenüber lehnt der BGH eine analoge Anwendung des § 324 Abs. 1 InsO auf die Vergütungsansprüche eines Abwicklers im Regelinsolvenzverfahren ab.
Rz. 145
Die für den Abwickler aufgestellten Grundsätze gelten entsprechend für kammerseitig bestellte Abwickler von Arztpraxen (sog. Praxisverweser) im Falle des Todes eines niedergelassenen Arztes oder Zahnarztes und anderer besonderer berufsständischer Vertreter.
Rz. 146
Zu beachten ist, dass die freiberufliche Praxis als solche unabhängig davon, dass sie der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters entzogen ist, in die Insolvenzmasse fällt und von dem Insolvenzverwalter in Abstimmung mit dem Abwickler für Rechnung der Insolvenzmasse verkauft werden kann. Der Zustimmung der Erben bedarf es hierzu nach h.M. nicht.
Dagegen ist die Zulassung zu den besonderen Berufsständen sowie eine kassenärztliche Zulassung höchstpersönlich und nicht veräußerbar.
Rz. 147
Praxistipp
Zur Veräußerung von Arztpraxen mit Kassenarztzulassung empfiehlt sich eine von Anfang an enge Abstimmung mit der jeweiligen Zulassungsbehörde. In dem Zusammenhang ist besonderes Verhandlungsgeschick erforderlich, wenn es darum geht, die Praxis unter Übernahme des Patientenstammes an einen interessierten Erwerber zu verkaufen. Dies kann nur gelingen, wenn der betreffende Interessent auch von der Zulassungsbehörde eine dementsprechende Kassenarztzulassung erhält. Dies kann problematisch sein, da es zuweilen Bewerber gibt, die zwar an einer Übernahme der Patienten interessiert sind und sich daher um eine entsprechende Kassenarztzulassung bemühen, zugleich aber kein Interesse an einer Übernahme der Praxis als solcher haben. Erhält ein solcher Bewerber im kassenärztlichen Zulassungsverfahren den Vorzug vor Bewerbern, mit denen der Insolvenzverwalter sich bereits über eine Praxisübernahme ...