I. Typische Sachverhalte
Rz. 66
Der Mandant hat eine Niederlassungserlaubnis, ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und wird wegen schwerer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, woraufhin eine Ausweisung durch die Ausländerbehörde ergeht, die Niederlassungserlaubnis erlischt und die Abschiebung angedroht wird.
II. Rechtliche Grundlagen
Rz. 67
Eine Person, die einen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt, soweit ein solcher Aufenthaltstitel erforderlich ist, ist gem. § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet. In diesem Fall besteht eine Verpflichtung, das Bundesgebiet unverzüglich bzw. innerhalb einer durch die zuständige Behörde gesetzten Ausreisefrist zu verlassen. Ergibt sich die Ausreisepflicht aus einem Verwaltungsakt, mit dem zugleich ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt oder ein rechtmäßiger Aufenthalt beendet wird, wird eine Abschiebungsandrohung gem. § 59 Abs. 1 AufenthG erlassen.
Rz. 68
Wann ein zunächst rechtmäßiger Aufenthalt beendet wird, ergibt sich aus § 51 AufenthG. Unter anderem ist dies der Fall, wenn die Geltungsdauer des Titels abgelaufen ist (§ 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 1 AufenthG), wenn der Aufenthaltstitel zurückgenommen oder widerrufen wurde (§ 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3, 4 AufenthG), wenn eine Ausweisung erlassen wurde (§ 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 5 AufenthG) und wenn eine Person ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist (§ 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 7 AufenthG). Der Widerruf eines Aufenthaltstitels ist spezialgesetzlich in § 52 AufenthG geregelt, wohingegen für eine Rücknahme – im Fall einer originär rechtswidrigen Erteilung – auf die Rücknahme nach den landesgesetzlichen Verwaltungsverfahrensgesetzen, in der Regel also § 48 LVwVfG, abzustellen ist.
Rz. 69
Die Ausweisung, die demnach zur Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts führt, ist nicht mit der Beendigung des Aufenthalts als solchem und nicht mit einer Abschiebung zu verwechseln. Es handelt sich vielmehr um einen eigenständigen und belastenden Verwaltungsakt nach den Maßgaben der §§ 53 ff. AufenthG, der verfügt, dass der Adressat das Bundesgebiet verlassen soll, was sodann mit einer Abschiebung (§ 58 AufenthG) zwangsweise durchgesetzt werden kann. Das Ausweisungsrecht wurde 2015 grundlegend neugestaltet: Während nach dem alten System mehrere Ausweisungstatbestände explizit geregelt waren, sieht die neue Rechtslage eine Abwägung zwischen sog. Ausweisungsinteressen auf der einen Seite (§ 54 AufenthG) und sog. Bleibeinteressen auf der anderen Seite (§ 55 AufenthG) vor. Wenngleich es sich mit Blick auf die Ausweisungsinteressen, die an Straftaten und anderweitige vorgeblich gefährdende Handlungen anknüpfen, um Gefahrenabwehrrecht handelt, das künftige Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern will, können nach der Rechtsprechung des BVerwG auch generalpräventive Erwägungen einbezogen werden – allerdings nur im Rahmen einer sorgfältigen Prüfung und nicht als einzige Grundlage für eine Ausweisung.
Rz. 70
Eine Abschiebung als Durchsetzung der Ausreisepflicht kann gem. § 60a ff. AufenthG ausgesetzt werden. Eine solche Aussetzung, die gem. § 60a Abs. 4 AufenthG als Duldung bescheinigt wird, kann sich unter anderem ergeben aus einem Abschiebungsstopp für bestimmte Staaten und daneben individuell aus sog. zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten (etwa bei einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK), aus inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen (etwa aus gesundheitlichen Gründen bei fehlender Reisefähigkeit oder aus familiären Gründen) oder im Fall von tatsächlichen Abschiebungshindernissen, wozu in der Praxis insbesondere das Fehlen von Reisedokumenten zählt.
III. Checkliste
Rz. 71
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Welches Aufenthaltsrecht hatte und hat der Mandant? |
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Leben Familienangehörige in Deutschland? |
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Sind Straftaten bekannt? Sind noch Strafverfahren anhängig? |
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Muss ein Eilrechtsschutzantrag gestellt werden? Droht eine Abschiebung? Bestehen Gründe für eine Duldung? |
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Inwiefern kann und muss gegen eine zusätzlich ergangene Einreisesperre vorgegangen werden? |
IV. Muster: Klage gegen Ausweisungsverfügung
Rz. 72
Muster 7.9: Klage gegen Ausweisungsverfügung
Muster 7.9: Klage gegen Ausweisungsverfügung
Verwaltungsgericht Berlin
Kirchstr. 7
10557 Berlin
per beA
Klage
des _____, geb. am _____, wohnhaft _____
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte: _____
gegen
das Land Berlin, vertreten durch das Landesamt für Einwanderung, _____
– Beklagter –
wegen: Ausweisung
Namens und in Vollmacht des Klägers – Vollmacht anbei – erheben wir Klage und beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom _____ (Az. bei dem Beklagten: _____), zugestellt am _____, aufzuheben.
Die Klage begründen wir zunächst wie folgt:
A.
Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Vor zwei Jahren wurde er mit Urteil vom _____ wegen Betäubungsmittelhandels in mehreren Fä...