1. Übersicht
Rz. 41
Der Versicherer sorgt dafür, dass der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann, und übernimmt die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten (Rechtsschutz), § 1 ARB 94.
Der Versicherer trägt bei Eintritt des Rechtsschutzfalles im Inland die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung, § 5 Abs. 1a) ARB 94.
2. Fall
Rz. 42
Der VN beauftragte seinen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung in einem behördlichen Bußgeldverfahren. Ihm wurde vorgeworfen, die zulässige Geschwindigkeit überschritten zu haben. Der Rechtsanwalt zeigte gegenüber der Bußgeldbehörde die Vertretung des VN wie folgt an:
Zitat
"In der vorbezeichneten Bußgeldangelegenheit zeige ich kraft anliegender Vollmacht die Vertretung des Herrn … an. Namens und in Vollmacht des Mandanten beantrage ich"
AKTENEINSICHT
in den Bußgeldvorgang durch Übersendung der Bußgeldakte. Vorerst macht der Mandant von seinem Schweigerecht Gebrauch. Eine Einlassung zur Sache bleibt nach Akteneinsicht vorbehalten.“
Daraufhin wurde das Bußgeldverfahren durch die Bußgeldbehörde eingestellt. Der in Anspruch genommene RSV verweigert nunmehr den Ausgleich der in Rechnung gestellten Gebühr nach Ziffer 5115 Abs. 1 Ziffer 1 VV RVG mit der Begründung, eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit sei nicht ersichtlich, Ziffer 5115 Abs. 2 VV RVG.
3. Muster
Rz. 43
Muster 7.7: Mitwirkung bei der Verfahrenseinstellung
Muster 7.7: Mitwirkung bei der Verfahrenseinstellung
_________________________ Rechtsschutzversicherungs-AG
_________________________ (Anschrift)
Schaden-Nr.: _________________________
_________________________ (Anrede),
unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom _________________________ darf ich Ihnen mitteilen, dass ich auf den vollen Ausgleich meiner Gebührenrechnung vom _________________________ bestehen muss.
Die streitgegenständliche Gebühr nach Ziffer 5115 VV RVG ist berechtigterweise in Ansatz gebracht worden, weil davon auszugehen ist, dass die endgültige Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens unter meine Mitwirkung erfolgt ist. Grundlage für die Einstellung stellt mein Schreiben an die Bußgeldbehörde vom _________________________ dar.
Mit dem Bestellungsschreiben habe ich die Vertretung des Versicherungsnehmers angezeigt und wie folgt ausgeführt: "Vorerst macht der Mandant von seinem Schweigerecht Gebrauch. Eine Einlassung zur Sache bleibt nach Akteneinsicht vorbehalten." Diese Ausführungen waren geeignet, den erwünschten Erfolg der Verfahrenseinstellung herbeizuführen. Zumindest aber hat die Ausübung des Schweigerechts in Form des "gezielten Schweigens" die endgültige Verfahrenseinstellung gefördert. Der Kausalitätsgegenbeweis wäre von Ihnen zu führen, soweit dies von Ihnen weiter bestritten werden sollte. Für die Behauptung die Tätigkeit des Verteidigers für die Verfahrenserledigung sei nicht förderlich gewesen, trägt als Gebührenschuldner die Beweislast (KG Urt. v. 30.9.2011, 1 Ws 66/09).
Mit der Ausübung des Schweigerechts hatte sich die Bußgeldstelle mit der Frage auseinanderzusetzen, wie der Tatbeweis – hier die Fahrereigenschaft – ohne Mitwirkung des Versicherungsnehmers geführt werden soll. Weitere Beweismittel standen der Bußgeldbehörde nicht zur Verfügung (vgl. BGH Urt. v. 18.9.2008, IX ZR 174/07; Urteil des AG Charlottenburg v. 11.4.2007, 215 C 8/07).
Insoweit darf ich Sie abschließend bitten, den Versicherungsnehmer von der in Rechnung gestellten "zusätzlichen Gebühr" gemäß Ziffer 5115 Abs. 1 Ziffer 1 VV RVG in voller Höhe
bis spätestens zum _________________________ freizustellen.
Freundliche Grüße
(Rechtsanwalt)
4. Hinweise
Rz. 44
Vorliegend hat das Amtsgericht Charlottenburg in bemerkenswerter Klarheit und gebotener Ausführlichkeit den Anspruch des VN bejaht. Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag ist nunmehr auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 215 VVG. Der Abdruck des Urteils findet sich im Kapitel "Deckungsklagen gegen den Rechtsschutzversicherer".
Rz. 45
In diesem Zusammenhang ist noch auf eine Entscheidung des BGH hinzuweisen, nach der die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 RVG VV nicht anfällt, wenn ein Strafverfahren in der Hauptverhandlung nach § 153a StPO vorläufig eingestellt wird und nach Erbringung der Auflage die endgültige Einstellung erfolgt.
Rz. 46
"Wird dagegen eine anberaumte Hauptverhandlung durch Aussetzung des Verfahrens nicht zu Ende geführt, kann wegen einer später in Betracht kommenden neuen Hauptverhandlung der Normzweck der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG wiederum zur Entfaltung gelangen (vgl. OLG Bamberg, AGS 2007, 138, 139). Wird unter diesen Umständen eine neue Hauptverhandlung entbehrlich, weil das Verfahren unter Mitwirkung des Rechtsanwalts nicht nur vorläufig eingestellt wird, so entsteht die Gebühr der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG (Hartung in Hartung/Schons/Enders, a.a.O. Rn 18)", urteilt d...