1. Ausdrückliche Anordnung einer Ausgleichsverpflichtung
Rz. 37
Liegt kein Vorempfang im Sinne des § 2050 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB vor, kommt eine Ausgleichungspflicht nur in Betracht, wenn der Erblasser bei der Zuwendung eine Ausgleichsbestimmung getroffen hat (§ 2050 Abs. 3 BGB). In der Praxis wird dabei oftmals die Formulierung gewählt, wonach der Empfänger sich die Zuwendung auf den "Erbteil anrechnen" lassen muss. Gemeint ist damit in der Regel die Ausgleichsverpflichtung unter Abkömmlingen nach § 2050 Abs. 3 BGB. Eine Anrechnung auf den Erbteil kennt das Gesetz ansonsten nicht. Vorempfänge spielen daher bei der Erbauseinandersetzung immer nur im Verhältnis der Abkömmlinge untereinander eine Rolle, nicht aber im Verhältnis zu anderen Miterben.
Der Erblasser kann eine Ausgleichung nach § 2050 Abs. 3 BGB auch konkludent anordnen. Dafür reicht es aber nicht aus, dass er vor der strittigen Zuwendung seine Kinder als gesetzliche Erben stets gleichermaßen bedacht hat, insbesondere wenn auch der nunmehr zugewandte strittige Vermögenswert ohne Weiteres teilbar gewesen wäre.
Rz. 38
Unter § 2050 Abs. 3 BGB fällt jede Zuwendung, Schenkung oder gemischte Schenkung, nicht aber eine Zuwendung, die aufgrund einer gesetzlichen Pflicht, bspw. einer Unterhaltspflicht, erfolgte. Nicht notwendig ist, dass die Zuwendung durch Rechtsgeschäft mit dem Abkömmling und dem Erblasser erfolgt. Es reicht aus, wenn der Abkömmling durch eine wirtschaftliche Maßnahme des Erblassers einen Vermögensvorteil erhält, allerdings keine Leistungen, mit denen einer gesetzlichen Pflicht genügt wird.
Rz. 39
Maßgeblich für § 2050 Abs. 3 BGB ist, dass die Zuwendung mit einer Ausgleichungsanordnung versehen wurde. Die Ausgleichsanordnung muss dem Abkömmling dabei spätestens im Zeitpunkt der Zuwendung zugehen und der Empfänger muss bei Annahme der Zuwendung auch erkannt haben, dass es sich um eine ausgleichspflichtige Zuwendung handelt.
Rz. 40
Erfolgt die Zuwendung an einen minderjährigen Abkömmling, bedarf es keiner Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.
Hinweis
Eine bestimmte Form ist grundsätzlich für die Anrechnungsbestimmung nicht vorgegeben. Sie kann daher auch konkludent erfolgen.
2. Vorbehalt einer späteren Ausgleichsbestimmung
Rz. 41
Grundsätzlich muss die Anrechnungsbestimmung im Zeitpunkt der Zuwendung erfolgen. Etwas anderes gilt dann, wenn sich der Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung die Möglichkeit einer späteren Anordnung der Ausgleichungspflicht vorbehalten hat.
3. Nachträgliche Anordnung einer Ausgleichsbestimmung
Rz. 42
Ist die Zuwendung erfolgt und hat es der Erblasser unterlassen, eine Ausgleichspflicht nach § 2050 Abs. 3 BGB anzuordnen, so kann er hieran im Interesse der Rechtssicherheit einseitig durch formloses Rechtsgeschäft grundsätzlich nichts mehr ändern. Der Erblasser hat für den Zuwendungsempfänger eine Vertrauensgrundlage geschaffen, die auf die fehlende Ausgleichungspflicht gerichtet ist. Er hat jedoch die Möglichkeit, die fehlende Ausgleichungsverpflichtung durch Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten seiner nicht bedachten Abkömmlinge in einer Verfügung von Todes wegen zu kompensieren. Ansonsten würden die für Verfügungen von Todes wegen einzuhaltenden Formvorschriften unterlaufen.
Rz. 43
Stimmt der betroffene Abkömmling zu, kann eine Ausgleichungspflicht auch nachträglich vereinbart werden; allerdings lediglich in der für den Erbverzicht geltenden Form. Denn die Parteien treffen eine Vereinbarung, die den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung des dann auszugleichenden Vorempfangs modifiziert.
Rz. 44
Will der Erblasser bei der Auseinandersetzung unter Miterben die Anrechnung von Vorempfängen auf den Erbteil über die dazu bestehenden gesetzlichen Regeln – insbesondere über § 2050 BGB – hinaus erreichen, muss er dies durch letztwillige Verfügung anordnen; für eine Erbauseinandersetzung verbindliche Anordnungen können dagegen nicht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden getroffen werden.
4. Abänderung einer getroffenen Ausgleichsbestimmung
Rz. 45
Eine einmal getroffene Ausgleichungspflicht kann im Nachhinein grundsätzlich auch durch letztwillige Verfügung aufgehoben werden. Die h.M. sieht hierin einen Vermächtnisanspruch zugunsten der übrigen Abkömmlinge. Im Hinblick auf die Tatsache, dass der Erblasser aber auch durch Abweichung von der gesetzlichen Erbquote den Tatbestand des § 2050 BGB außer Kraft setzen kann, muss es sich hierbei nicht zwingend um ein Vermächtnis handeln. Es ist daher vielmehr davon auszugehen, dass es sich von der Rechtsnatur her um ein einseitiges Bestimmungsrecht handelt, welches der Erblasser im Testament anordnen kann. Die ...