Rz. 86
Die Vorschriften über die Ausgleichung sind nach ihrem Sinn und Zweck nicht zwingender Natur und stehen somit zur Disposition der jeweiligen Interessensträger. Der Erblasser hat die Möglichkeit, die gesetzliche Vermutung seines Willens, sein Vermögen gleichmäßig unter seinen Abkömmlingen zu verteilen, zu beseitigen. Dies ergibt sich aus § 2050 Abs. 1 BGB, in dem geregelt ist, dass eine Ausgleichung beim Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich stattzufinden hat, sofern nicht der Erblasser bei der Zuwendung etwas anderes geregelt hat. Obwohl nicht ausdrücklich geregelt, gilt selbiges nach allgemeiner Meinung auch für die Ausgleichungstatbestände des § 2050 Abs. 2 BGB. Der Erblasser kann die Rechtsfolge der Ausgleichung, die mit der Erfüllung der Tatbestände der Abs. 1 und 2 einhergeht, bedingt oder unbedingt, ganz oder teilweise ausschließen.
Rz. 87
Seinen der gesetzlichen Rechtsfolge widersprechenden Willen muss der Erblasser nach dem Gesetzeswortlaut des § 2050 Abs. 1 BGB bei der Zuwendung erklärt haben. Eine bestimmte Form muss nicht eingehalten werden, so dass eine konkludente Willensäußerung genügt. Den Ausschluss der gesetzlichen Ausgleichungspflicht kann der Erblasser formlos auch vor der Zuwendung erklären. Nach der Zuwendung ist der Ausschluss der Ausgleichungspflicht formlos nicht mehr möglich, denn zu diesem Zeitpunkt ist die Ausgleichungspflicht bereits begründet. Der nachträgliche Ausschluss der Ausgleichungspflicht kann aber, wie oben ausgeführt, einseitig durch die Anordnung eines Vorausvermächtnisses oder durch formbedürftige Vereinbarung mit dem Zuwendungsempfänger erfolgen.
Rz. 88
Alternativ kann der Erblasser seinem der gesetzlichen Vermutungswirkung entgegenstehenden Willen durch die Errichtung einer Verfügung von Todes wegen Ausdruck verleihen. Das Ziel, die gesetzliche Ausgleichung nachträglich auszuschließen, erreicht der Erblasser, indem er vor dem Hintergrund der Regelungen in §§ 2050, 2052 BGB, eine Verfügung von Todes wegen errichtet und so den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge verhindert oder den Zuwendungsempfänger zu einem anderen Verhältnis einsetzt als seine übrigen Abkömmlinge. In beiden Gestaltungsvarianten ist eine Ausgleichung kraft Gesetzes ausgeschlossen.
Rz. 89
Gleiches gilt für die Anordnung von Zuwendungen, die nicht vom Tatbestand des § 2050 Abs. 1 und 2 umfasst sind. Solche Zuwendungen sind von Natur aus nicht auszugleichen, sofern nicht der Erblasser bei der Zuwendung etwas anderes angeordnet hat. Will der Erblasser bei der Auseinandersetzung unter Miterben die Anrechnung von Vorempfängen auf den Erbteil über die dazu bestehenden gesetzlichen Regeln insbesondere in § 2050 BGB hinaus erreichen, muss er dies durch letztwillige Verfügung anordnen.
Rz. 90
Formulierungsbeispiel: Ausgleichung
Der Übernehmer hat den Wert des unter Ziffer (…) übertragenen Grundbesitzes im Verhältnis zu seinen Geschwistern gem. den §§ 2050 ff. BGB zur Ausgleichung zu bringen. Die Ausgleichung soll im Falle der gesetzlichen oder testamentarischen Erbfolge erfolgen, sofern die Voraussetzungen des § 2052 BGB vorliegen. Für die Bewertung der ausgleichspflichtigen Zuwendung ist auf den Zeitpunkt der Zuwendung, vorliegend auf die Umschreibung im Grundbuch, abzustellen. Der zu diesem Stichtag ermittelte Wert ist mit Hilfe des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Arbeitnehmer-Haushaltes mit mittlerem Einkommen (2.000 EUR = 100 EUR) auf den Zeitpunkt des Erbfalls (alternativ: der Erbauseinandersetzung) anzupassen.