Prof. Dr. Christian Döring, Dr. Mario Leggio
Rz. 5
Die vom Auftragnehmer abgeschlossenen Beschaffungsverträge sind weit überwiegend reine Kaufverträge. Mit Blick auf die vielfältigen Baugewerke und die vom Gewerkeunternehmer zur Durchführung seines Auftrags benötigten Bauteile und Baustoffe ist dies leicht nachvollziehbar. Im Rahmen dieser Rechtsbeziehungen sind Probleme im Zusammenhang mit der Erfüllung der Hauptpflichten des Käufers (Kaufpreiszahlung) vorliegend von untergeordneter Bedeutung. Zwar kommt es vor, dass der Gewerkeunternehmer seinen Baustofflieferanten nicht oder nicht vollständig bezahlt, sodass dieser seine weiteren Lieferungen einstellt, zunächst die Begleichung offener Forderungen verlangt und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzt. Diese Konstellation betrifft nahezu ausschließlich das Verhältnis zwischen Gewerkeunternehmer und Baustofflieferant. Sie entfaltet keine "Außenwirkung" für den Bauherren, da auch bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes das dem Gewerkeunternehmer bereits gelieferte und von diesem verbaute Material aufgrund Verbindung und Vermischung (§§ 946 f. BGB) dem eigentumsrechtlichen Zugriff des Baustofflieferanten entzogen ist. Es handelt sich um ein typisches Forderungsbeitreibungsproblem, welches an dieser Stelle nicht weiter vertieft und deshalb auf andere kaufvertragliche Formularbücher verwiesen werden soll.
Rz. 6
Die Fälle der Liefersperre bzw. der Geltendmachung eines Eigentumsvorbehaltes an noch nicht verbautem Baustoff haben allerdings grundsätzlich eine "Außenwirkung". Die hierdurch entstehenden (selbst verschuldeten) Behinderungsprobleme des Gewerkeunternehmers betreffen jedoch in erster Linie sein Bauvertragsverhältnis zum Auftraggeber.
I. Rügepflichten
Rz. 7
Im Rahmen der kaufvertraglichen Pflichten ist nun von allen Gewerkeunternehmern/Käufern zu berücksichtigen, dass es sich bei ihren Kaufverträgen um Handelskäufe handelt. Waren vor Novellierung des § 1 Abs. 2 HGB a.F. im Jahr 1998 lediglich die im zweiten Absatz beschriebenen Tätigkeiten kaufmännische Tätigkeiten, nicht jedoch das klassische Bauhandwerk, so unterfallen seit der Gesetzesänderung auch Bauhandwerker dem kaufmännischen Handelsrecht, da § 1 Abs. 2 HGB jetzt auf das Unterhalten eines Gewerbebetriebes abhebt. Diese Voraussetzung ist regelmäßig auch bei kleineren Bauhandwerkern gegeben, sodass auch deren Beschaffungsverträge dem Handelskauf unterliegen.
Rz. 8
Wesentlich ist deshalb für die Unternehmer, dass sie die vom Lieferanten oder Hersteller erhaltene Ware nach Lieferung auf ihre Ordnungsgemäßheit hin zu überprüfen haben. Sie unterliegen der Rügepflicht gem. § 377 HGB, die auch für Neulieferungen im Falle der Nacherfüllung gilt. Verstöße gegen die Rügepflicht können nach § 377 Abs. 1 oder Abs. 2 HGB zum Verlust der kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüche führen. Sonstige Sanktionen – etwa Schadensersatzansprüche des Verkäufers – sind mit der unterbliebenen Untersuchung der Ware und/oder der Rüge von Mängeln jedoch selbst bei einem Verschulden des Käufers nicht verbunden; anders als es der Wortlaut von § 377 HGB in Abs. 1 (hat der Käufer […] zu untersuchen und […] unverzüglich Anzeige zu machen) und in Abs. 3 (muß […] gemacht werden) nahelegt, handelt es sich – vorbehaltlich einer anderslautenden (wirksamen) Vereinbarung zwischen den Parteien – gerade um keine echten (Rechts-)Pflichten des Käufers, sondern um bloße Obliegenheiten. Die Überprüfungen sind, sofern die Ware in den Betrieb des Unternehmers geliefert wird, dort vorzunehmen. Wird die Ware bestimmungsgemäß auf die Baustelle geliefert, hat es vor Ort zu geschehen. Dies gilt auch für Sukzessivlieferungen mit zumindest stichprobenweiser Untersuchung jeder Lieferung. Die Überprüfung hat gem. § 377 Abs. 1 HBG unverzüglich zu erfolgen. Die erste Grobuntersuchung hat innerhalb Tagesfrist zu geschehen; für erforderliche Sonderuntersuchungen wird auf eine Frist von einer Woche abgestellt. Die Überprüfungs- und Rügepflicht gilt nicht nur für so genannte "Palettenware". Sie betrifft beispielsweise auch Schuttgüter, Betonlieferungen u.Ä. Die Ordnungsgemäßheit der bestellten und gelieferten Ware ist dann im Regelfall durch Sichtkontrolle und anhand der Lieferpapiere zu überprüfen. Dies umfasst auch eine Überprüfung der Begleitpapiere auf Übereinstimmung mit DIN-Normen und ggf. erforderlich werdende Rückfragen. Die Untersuchungspflicht entfällt nicht bei Vorlage von Bescheinigungen über die Kaufsache (Werkzeugnis) durch den Verkäufer.