Prof. Dr. Christian Döring, Dr. Mario Leggio
Rz. 41
Über die Fälle des § 281 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 BGB hinaus erweitert § 440 BGB die Entbehrlichkeit der Fristsetzung unter bestimmten Voraussetzungen auf den primären Mangelanspruch der Nacherfüllung. Die Fristsetzung kann entfallen, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 4 BGB verweigert oder die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. Bereits erfolgtes mehrmaliges Nachbessern anderer Mängel führt nicht zwingend zur Unzumutbarkeit. Aufgrund der Vermutung in § 440 S. 2 BGB gilt die Nacherfüllung in Form der Nachbesserung dann als fehlgeschlagen, wenn auch ein zweiter Nachbesserungsversuch des Verkäufers nicht zum Erfolg führte. Diese Vermutung des Fehlschlagens nach zweimalig erfolgloser Nachbesserung ist jedoch für den Verkäufer widerlegbar, wenn sich dies beispielsweise aus der Art der Sache, des Mangels oder aus sonstigen Umständen ergeben sollte.
Rz. 42
Bei der Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung gilt die Einräumung eines zweiten Versuchs nicht. Ist auch die Ersatzlieferung mit dem gleichen Mangel oder mit anderen Mängeln versehen, so gilt die Nachbesserung als fehlgeschlagen.
Rz. 43
Unter diesen Voraussetzungen kann dann der Käufer vom Vertrag nach § 323 BGB zurücktreten oder stattdessen gem. § 441 BGB den Kaufpreis mindern. Die Wahl der Minderung erfolgt durch Erklärung wie auch die Rücktrittserklärung gegenüber dem Verkäufer. Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem der wirkliche Wert der gelieferten Sache niedriger ist als der Wert des Kaufgegenstandes zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in mangelfreiem Zustand. Gegebenenfalls ist die Minderung durch Schätzung zu ermitteln.
Rz. 44
Da die Minderung statt des Rücktritts gewählt werden kann, bedarf es grundsätzlich des Vorliegens der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts gem. § 323 BGB. Dies bedeutet, dass eine erfolglos abgelaufene Frist zur Nacherfüllung gem. § 437 Nr. 1 BGB gesetzt worden sein muss, es sei denn, es liegen Fälle der Entbehrlichkeit der Fristsetzung gem. § 323 Abs. 2, § 440 BGB vor. Das bloße Bestreiten des Mangels lässt die Erforderlichkeit der Fristsetzung nicht entfallen. Zum Zeitpunkt der Minderungserklärung muss das Rücktrittsrecht noch bestehen. Es darf noch nicht erloschen sein. Erforderlich ist weiter, dass der Käufer für den Mangel keine Verantwortung trägt, wohingegen eine Unerheblichkeit der Pflichtverletzung zwar den Rücktritt hindert, nicht jedoch die Minderung (vgl. § 323 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 BGB). Die Unerheblichkeit gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB wird vom BGH bejaht, wenn die Reparaturkosten eines Mangels 5 % des Kaufpreises nicht übersteigen.
Rz. 45
Zwischen Minderung und Rücktritt besteht ein Wahlrecht. Es wird durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Käufers gegenüber dem Verkäufer ausgeübt. Das Wahlrecht ist als Gestaltungsrecht bedingungsfeindlich und ab Zugang unwiderruflich.
Entscheidet sich der Käufer für den Rücktritt, so wandelt sich das Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis um, hervorgerufen durch eine einseitige, das Rechtsverhältnis umgestaltende Willenserklärung des Käufers. Durch den Rücktritt erlöschen die beiderseitigen Erfüllungsansprüche und die hiermit zusammenhängenden sekundären Ansprüche. Der Rücktritt führt jedoch nicht zu einer Vertragsaufhebung als Ganzes, sondern bewirkt nur seine Inhaltsveränderung.
Rz. 46
Für die Rechtsfolgen nach erklärter Rücktrittserklärung gelten die §§ 346 ff. BGB. Die jeweils gewährten Gegenstände sind zurückzugewähren und herauszugeben bzw. stattdessen gem. § 346 Abs. 2 BGB Ersatz zu leisten. Hierbei werden nun für jeden Kauf auch die Einbau- und Ausbaukosten, die zum Nacherfüllungsanspruch gem. § 439 Abs. 1 BGB gehören, zu berücksichtigen sein.