Prof. Dr. Christian Döring, Dr. Mario Leggio
Rz. 74
Eine besondere, im Baustoffhandel nicht seltene Konstellation liegt darin begründet, dass das vom Gewerkeunternehmer erworbene Produkt als solches mangelfrei, jedoch für den vorgesehenen Verwendungszweck ungeeignet ist, sodass der Gewerkeunternehmer aufgrund der Nichteignung des Produktes eine abnahmefähige Werkleistung nicht zustande bringt.
Rz. 75
Der Grund für die Wahl des für den vorgesehenen Verwendungszweck nicht geeigneten Produktes kann darin bestehen, dass sich der Gewerkeunternehmer vor dem Kauf des Produktes nicht sachkundig gemacht hat. Denkbar ist auch, dass der Verkäufer im Rahmen des Kaufvertrages über die Eignung des Materials und deren Einsatzzweck nicht richtig bzw. vollständig aufgeklärt und beraten hat.
I. Selbstständiger Beratungsvertrag
Rz. 76
Die Falschberatung kann Ansprüche des Käufers als Nebenpflichtverletzung oder wegen schuldhafter Verletzung eines selbstständigen Beratungsvertrages begründen. Letzteres ist häufig der Fall, da Hersteller durch Verkaufsberater, Vertriebsmitarbeiter u.Ä. Beratungsleistungen für Kunden ihres Großhändlers anbieten, somit der Kaufvertrag zwischen dem Gewerkeunternehmer und dem Großhändler abgeschlossen wird, die Beratungsleistungen jedoch unmittelbar vom Hersteller bzw. seinen Vertriebsmitarbeitern oder speziellen Beratungsabteilungen des Herstellers erbracht werden. Eine derartige selbstständige Beratungspflicht aufgrund eines selbstständigen Beratungsvertrages liegt etwa dann vor, wenn der Gewerkeunternehmer im Vorfeld des Kaufvertrages unter Schilderung des Einsatzzweckes sich nach einem Produkt erkundigt, und für den Empfänger erkennbar ist, dass seine Auskunft über die Tauglichkeit entscheidend für den beabsichtigten Vertragsschluss ist, oder sich der Gewerkeunternehmer an den Verkäufer oder Hersteller mit der Bitte wendet, ihm für die konkret beschriebene Bauaufgabe geeignetes Material zu empfehlen. Wenn sich in derartigen Fällen der Gewerkeunternehmer von dem Verkäufer oder durch Hinzuziehung eines Mitarbeiters des Herstellers sachkundigen Rat hinsichtlich eines für den Einsatzzweck tauglichen Produktes hat erteilen lassen, ist regelmäßig eine selbstständige Beratungspflicht aufgrund eines selbstständigen Beratungsvertrages zu bejahen. So war dieser sachkundige Rat letztlich Grund für den im Anschluss abgeschlossenen Kaufvertrag über das vorgeschlagene Produkt. Bei einem derartigen selbstständigen Beratungsvertrag haftet der Berater für pflichtwidrige Falschberatung, da der Verkäufer/Hersteller erkennbar wegen seiner Sachkunde um Beratung gebeten wurde. Die Beratung muss richtig und vollständig sein und den Gewerkeunternehmer über alle Umstände informieren, die für den Vertragsabschluss und damit für den Kauf des Produktes für den vorgesehenen Einsatzzweck von Bedeutung sein können. Bei Verletzung dieser Beratungspflicht ist ein Haftungstatbestand des Beratenden auch dann gegeben, wenn sich die pflichtwidrige Falschberatung auf grundsätzlich zusicherungsfähige Eigenschaften bezieht. Im Falle der schuldhaften Pflichtverletzung steht dem Gewerkeunternehmer Schadensersatz, ermittelt nach der Differenzmethode, zu. Ihm sind somit die Schäden aus dem fehlgeschlagenen Geschäft zu ersetzen.
II. Falschberatung als Nebenpflichtverletzung
Rz. 77
Eine Beratungspflichtverletzung kann darüber hinaus auch als Nebenpflicht zum Kaufvertrag begründet werden. Der Verkäufer hat zumindest dann eine kaufvertragliche Beratungspflicht zu erfüllen, wenn er spezielle Sach- und Fachkenntnisse den Kaufgegenstand betreffend besitzt, über die der Käufer nicht verfügt und derentwegen er den Käufer in Kenntnis des konkreten Verwendungszweckes berät. Hier obliegt es dem Käufer, den Vertragszweck deutlich herauszustellen. Die vom Verkäufer zu gebenden notwendigen Informationen beziehen sich dann auf die Eignung des Produktes für diesen Vertragszweck. Im Rahmen dieser Beratung und Aufklärung hat der Verkäufer auch über besondere Risiken der Kaufsache, etwa besondere Montagehinweise, deren Nichtbeachtung zu Fehlern führen kann, hinzuweisen. Die Beratungspflicht des Verkäufers beschränkt sich jedoch auf die Eigenschaften der Kaufsache, die er kennt bzw. kennen muss. Eine regelmäßige Nachfragepflicht des Verkäufers beim Hersteller besteht nicht, es sei denn, aufgrund des Beratungsgespräches hat er konkrete Zweifel an der Eignung des Produktes für den vorgesehenen Verwendungszweck.
Rz. 78
Für die fehlerhafte Beratung im Rahmen einer kaufvertraglichen Nebenpflicht wird gehaftet nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss gem. §§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB, die im Grundsatz auf den Ersatz des Vertrauensschadens beschränkt ist.