A. Formelle Wirkung
Rz. 1
Die Beschlagnahme in der Zwangsversteigerung wird nach Anordnung des Verfahrens wirksam entweder mit Zustellung des Beschlusses an den Schuldner oder mit Eingang des Ersuchens um Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks im Grundbuch; der frühere Zeitpunkt ist maßgebend, § 22 Abs. 1 ZVG.
Rz. 2
Nach dem Prinzip des Einzelverfahrens erwirkt jeder betreibende Gläubiger seine eigene Beschlagnahme (vgl. hierzu § 5 Rdn 16 ff.).
Rz. 3
Formell ist jedoch für die Unterscheidung in laufende und rückständige wiederkehrende Leistungen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 ZVG) ausschließlich die erste Beschlagnahme des Verfahrens maßgebend, § 13 Abs. 4 S. 1 ZVG. Hierbei ist es unerheblich, ob der Anordnungsgläubiger später noch Verfahrensbeteiligter bleibt oder bereits durch Antragsrücknahme aus dem Verfahren ausgeschieden ist.
Rz. 4
Beispiel (alle Daten sind als Werktage zu unterstellen)
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Laufende ./. rückständige Leistungen, § 13 i.V.m. § 45 Abs. 2 ZVG |
▪ |
100.000,00 EUR Grundschuld nebst 15 % Zinsen (kalenderjährlich nachträglich am 31.12. fällig) |
▪ |
Beschlagnahme in der Zwangsversteigerung erfolgte am 2.4.2022 |
Lösung:
lfd. Leistung |
ab 1.1.2021 |
bis |
(2 Wochen nach Versteigerungstermin) |
§ 47 ZVG von Amts wegen |
rückst. Leistung |
ab 1.1.2019 |
bis |
31.12.2020 |
§ 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG nur auf Anmeldung |
▪ |
angenommen der Zwangsversteigerungstermin ist am 16.6.2023: |
Zinsen in Rangklasse 4 somit max. vom 1.1.2019 bis 30.6.2023 über insgesamt |
= 67.500,00 EUR |
Rz. 5
Hinweis
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Hat ein Gläubiger zuerst die Zwangsverwaltung betrieben, kann er jedoch aus den Nutzungen des Grundstücks keine volle Befriedigung erlangen und beabsichtigt er nunmehr die Zwangsversteigerung anordnen zu lassen, besteht unter Umständen die Gefahr eines Zinsverlusts. Für die Berechnung der laufenden bzw. rückständigen Beträge wiederkehrender Leistungen in der Zwangsversteigerung gilt, dass, wenn bis zur Beschlagnahme eine Zwangsverwaltung fortgedauert hat, das dort erwirkte Beschlagnahmedatum auch für die Zwangsversteigerung maßgebend ist, § 13 Abs. 4 S. 2 ZVG. Der Gläubiger sollte daher den Antrag auf Durchführung des Zwangsverwaltungsverfahrens erst zurücknehmen, wenn die Beschlagnahme in der Zwangsversteigerung wirksam geworden ist. |
▪ |
Hat der Gläubiger in der Zwangsverwaltung einen Vorschuss geleistet, steht ihm hierfür die Rangklasse 1 des § 10 Abs. 1 ZVG zur Verfügung. Dann allerdings muss die Zwangsverwaltung bis zum Zuschlag in der Versteigerung fortgedauert haben; in diesem Fall sollte eine Antragsrücknahme in der Zwangsverwaltung nicht erfolgen. |
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Hat der Gläubiger die Zwangsversteigerung zuerst beantragt, kann diese als Zwangsverwaltung fortgesetzt werden, wenn bereits ein zweiter Versteigerungstermin ergebnislos beendet wurde und der Gläubiger einen entsprechenden Fortsetzungsantrag stellt, § 77 Abs. 2 ZVG. In diesem Fall bleiben die Wirkungen der für die Zwangsversteigerung erfolgten Beschlagnahme bestehen, insbesondere bleibt damit der Tag der ersten Beschlagnahme aus der Versteigerung erhalten. |
B. Materielle Wirkung
Rz. 6
Die wirksame Beschlagnahme hat die Wirkung eines Verfügungsverbots, Veräußerung des Grundstücks und sonstige Verfügungen über das Grundstück sind dem betreibenden Gläubiger gegenüber unwirksam. Das Veräußerungsverbot schützt nicht nur vor rechtsgeschäftlichen Verfügungen, sondern auch solchen durch Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung, § 135 Abs. 1 S. 2 BGB. Verfügungen sind allgemein Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben. Voraussetzung ist immer, dass der Gegenstand selbst beschlagnahmt ist.
Rz. 7
Das Verfügungsverbot hat jedoch nur eine relative Wirkung, d.h. nur im Verhältnis zu dem betreibenden Gläubiger, §§ 136, 135 Abs. 1 BGB. Eine gegen das Verbot verstoßende Verfügung des Schuldners wird wirksam, wenn der betreibende Gläubiger diese genehmigt oder mit dessen Einwilligung, § 185 BGB. Gleiches gilt auch, wenn die Voraussetzungen des § 878 BGB vorliegen (bindende Einigungserklärung, § 873 Abs. 2 BGB und Antragstellung beim Grundbuchamt vor Wirksamwerden der Beschlagnahme).
Rz. 8
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn z.B. der Eigentümer als Grundschuldbesteller nach rechtmäßiger Zurückweisung des Antrags auf Eintragung der Grundschuld in der Verfügung beschränkt wird und die spätere Aufhebung der Zurückweisung und die Eintragung der Grundschuld auf neuen Tatsachen beruhen. Der Schuldner ist auch nicht gehindert, eine im Grundbuch eingetragene Eigentümergrundschuld abzutreten bzw. kann diese auch nach Beschlagnahme wirksam gepfändet werden. Solche Eigentümerrechte werden nicht von der Beschlagnahme erfasst, Verfügungen hierüber sind wirksam.
Rz. 9
Veräußert der Schuldner während des Zwangsversteigerungsverfahrens das Grundstück an einen Dritten, läuft das Verfahren gegen ihn jedoch weiter. Wird dem...