1. Differenzierung zwischen vereinbarten und gesetzlichen Öffnungsklauseln
Rz. 34
Das Gesetz differenziert bei der Eintragungsfähigkeit von vereinbarungsändernden Beschlüssen nach der Kompetenz zur Beschlussfassung. Nach § 5 Abs. 4 S. 1 WEG können nur Beschlüsse in das Grundbuch eingetragen werden, die aufgrund einer vereinbarten, nicht aber solche, die aufgrund einer gesetzlichen Öffnungsklausel gefasst werden. Die Gesetzesmaterialien begründen dies insbesondere damit, dass gesetzliche Öffnungsklauseln aus dem Gesetz ersichtlich seien und der Erwerber daher wisse, in welchem Bereich mit Beschlüssen zu rechnen ist. Schon diese Begründung erscheint fragwürdig. Denn auch vereinbarte Öffnungsklauseln werden in der Regel aus der Lektüre der grundbuchlich gewahrten Gemeinschaftsordnung ersichtlich, so dass der Erwerber ebenso wie bei gesetzlichen Öffnungsklauseln weiß, in welchem Bereich mit Beschlüssen zu rechnen ist.
2. Wohnungseigentumsrechtliche Prüfung durch das Grundbuchamt
Rz. 35
Hinzu kommt, dass eine Beschlusskompetenz sowohl aus einer vereinbarten als auch aus einer gesetzlichen Regelung resultieren kann. Dies verkennen auch die Gesetzesmaterialien nicht. Denn sie führen aus, dass ein Beschluss auch dann nicht eintragungsfähig ist, wenn er aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel gefasst wurde, die nur "eine gesetzliche Öffnungsklausel wiederholt oder sich mit dieser inhaltlich deckt." Dabei soll unerheblich sein, "worauf die Wohnungseigentümer den Beschluss subjektiv stützen." Damit kommt dem Grundbuchamt unabhängig vom Eintragungsantrag die wohnungseigentumsrechtliche Prüfung zu, ob ein vereinbarungsändernder Beschluss unabhängig von den Eintragungsunterlagen auch auf eine gesetzliche Öffnungsklausel gestützt werden könnte und daher nicht einzutragen ist. Bereits diese materiell-rechtliche Prüfung als solche ist dem Grundbuchrecht fremd. Sie kann zudem ganz erhebliche Probleme aufwerfen. Denn jenseits der vom Gesetzesentwurf berücksichtigten vereinbarten Öffnungsklauseln, die gesetzliche nur wörtlich oder inhaltlich wiederholen, existieren natürlich unzählige mit partiellen Überschneidungen. In diesen Fällen hätte das Grundbuchamt unabhängig vom Vorbringen im Eintragungsantrag zunächst zu klären, ob sich die Beschlusskompetenz ausschließlich aus der vereinbarten Öffnungsklausel ergeben kann. Nur dann darf und muss der vereinbarungsändernde Beschluss eingetragen werden.
3. Fortgeltung gegenüber Sonderrechtsnachfolgern (§ 10 Abs. 3 S. 1 WEG)
Rz. 36
Diesem Problem kommt indessen auch eine wohl noch gravierendere materiell-rechtliche Komponente zu. Denn§ 10 Abs. 3 S. 1 WEG macht auch die Wirkung vereinbarungsändernder Beschlüsse gegen Sondernachfolger von eben dieser Differenzierung nach vereinbarter und gesetzlicher Beschlusskompetenz abhängig. Danach wirken nur aufgrund gesetzlicher Beschlusskompetenz gefasste Beschlüsse ohne weiteres gegen Sondernachfolger. Eine entsprechende Wirkung tritt bei Beschlüssen aufgrund einer vereinbarten Beschlusskompetenz nur dann ein, wenn sie im Grundbuch eingetragen sind. Bestehen Zweifel an der gesetzlichen Beschlusskompetenz für eine vereinbarungsändernde Beschlussfassung, kann sich ein Sonderrechtsnachfolger somit ohne zeitliche Grenze darauf berufen, der Beschluss wirke mangels Wahrung im Grundbuch nicht gegen ihn. Die gesetzliche Differenzierung der Eintragungsfähigkeit zieht im Ergebnis kaum lösbare Abgrenzungsprobleme für Grundbuchämter und Praxis nach sich, so dass letztlich im großen Umfang Rechtsunsicherheit eintreten wird, welche Beschlüsse einzutragen und welche ohne Eintragung wirksam sind. Dass dies zu einem Anstieg der Rechtsmittel führen und somit genau den gegenteiligen Effekt erzielen wird, den der Gesetzgeber mit der Differenzierung nach gesetzlicher und vereinbarter Öffnungsklausel bezweckt hat, ist leicht vorhersehbar.
Rz. 37
Praxistipp
Liegt die gesetzliche Beschlusskompetenz nicht auf der Hand, müssen Wohnungseigentümer und Verwalter auf eine Eintragung dringen. Nur dadurch erlangen sie gegenüber Sonderrechtsnachfolgern Rechtssicherheit.