Rz. 72

An medizinischen Nachweismethoden steht die Haarprobe zur Verfügung. Jedoch ist ein Konsumnachweis nur nach einem intensiveren Konsum über die Haare zu führen, insbesondere der "Wochenendkonsum" ist nicht sicher nachweisbar. Daher hat sich diese Methode ebenso wie die Urinuntersuchung, die nur einen Stoffnachweis erbringt, für die Bestimmung des Konsummusters als nicht sehr tauglich erwiesen. In jedem Fall muss eine in der Fahreignungsdiagnostik verwertbare Haaruntersuchung dem CTU 2-Kriterium der Beurteilungskriterien entsprechen.[111] Danach muss die Probenahme bestimmten Kriterien genügen. Eine im Strafverfahren verwendete Probenahme muss diesen Kriterien nicht genügen. Hinzu können im Einzelfall Besonderheiten zur berücksichtigen sei, etwa "Dreadlocks", in denen auch ältere Haare eingebunden sind.[112]

Entscheidend sind die Werte der Blutuntersuchung, die einen relativ genauen Wert für THC und THC-COOH erbringen.

 

Rz. 73

Von ausschlaggebender Bedeutung für die Konsumfrequenz ist der Umstand, dass der Wirkstoff THC nach Konsumende nur maximal 4–6 Stunden im Blut nachweisbar ist. In wessen Blut THC nachweisbar ist, muss längstens vor 6 Stunden diese Droge konsumiert haben.

Damit wird die Gesamtschau des Blutwerts für THC und die Einlassung des Betroffenen für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "gelegentlicher Konsum" ausschlaggebend: Wenn der Betroffene einen Konsum (deutlich) länger als 6 Stunden vor der Kontrolle angibt, bei der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verkehrskontrolle erfolgten Blutprobe aber THC nachgewiesen wird, muss zwei Mal Cannabis konsumiert worden sein. Nachgewiesen durch THC im Blut ist ein Konsum innerhalb der letzten 6 Stunden, ein weiterer durch die Angaben des Betroffenen, er habe zu einem (wesentlich länger 6 Stunden) zurückliegenden Zeitpunkt Cannabis konsumiert.[113] Man mag daran kritisieren, dass hinsichtlich des zugestandenen Konsums dem Betroffenen geglaubt wird, obwohl er den weiteren Konsum, der durch den Nachweis von THC im Blut erwiesen ist, verschwiegen hat. Das sind jedoch festgestellte, verwertbare Tatsachen, die rechtlich eine entsprechende Würdigung zulassen.[114]

 

Praxistipp

Die Umstände des Einzelfalls genau feststellen und erwägen, ob nicht eine Sondersituation vorlag, die eine besonders sorgfältige Würdigung des vorliegenden Falls erfordert.

 

Rz. 74

Dagegen wurde durch die Erkenntnisse der letzten Jahre die Bedeutung von THC-COOH (baut sich erst einige Stunden nach Konsum auf, bleibt aber bei häufigerem Konsum mehrere Tage im Blut nachweisbar) als Indikator für die Konsumfrequenz "gelegentlicher Konsum" stark entwertet. Da sich THC-COOH relativ langsam im Blut abbaut und durch einen wiederholten Cannabiskonsum (durch ständigen Umbau von THC in THC-COOH) summiert, lässt sich nach neueren Erkenntnissen aus dem Nachweis eines bestimmten Wertes für THC-COOH kein Nachweis für das Vorliegen eines gelegentlichen Cannabiskonsums führen.[115] Denn je nach individueller Veranlagung und Qualität (Wirkstoffgehalt) des konsumierten Rauschmittels können höhere Werte für THC-COOH auch nach einem einmaligen Konsum erreicht werden. Diese Erkenntnis hat sich erst in den letzten Jahren ergeben.[116] Wie oben dargestellt lässt sich erst ab 150 ng/ml THC-COOH (ein äußerst hoher Wert) ein Nachweis für regelmäßigen Konsum ableiten. Ein Wert über 100 ng/ml THC-COOH kann allenfalls als Hinweis auf häufigeren Konsum gewertet werden, ein Wert unter 100 ng/ml THC-COOH kann keinen gesicherter Nachweis für das Vorliegen eines gelegentlichen Konsums in Abgrenzung zu bloßem, einmaligen Probierkonsum führen.[117]

 

Praxistipp

Blutwerte genau analysieren – wenn der Wert für THC-COOH unter 150 ng/ml liegt, kann daraus allein das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "gelegentlicher Konsum" nicht gefolgert werden.

[111] Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Auflage 2013, Nr. 8.1.5., S. 267.
[112] Vgl. hierzu BayVGH, Beschl. v. 2.10.2015, 11 CS 15.1788, juris.
[113] BayVGH v. 13.12.2010, 11 CS 10.2873; v. 5.4.2006, 11 CS 06.2853; vgl. auch VG Freiburg v. 9.1.2006, NJW 2006, 3370 – st. Rspr. der Verwaltungsgerichte.
[114] Zweifelnd: HessVGH v. 24.9.2008, NJW 2009, 1523 – 2,5 ng/ml THC ließen sich mit einem 15 Stunden zurückliegenden Cannabiskonsum vereinbaren.
[115] BayVGH v. 25.1.2006, DAR 2006, 407 auf ein Gutachten von Aderjan v. 29.8.2005; OVG Brandenburg v. 13.12.2004, BA 2006, 161.
[116] Zuvor wurde etwa ab 5,0 ng/ml bis 150 ng/ml THC-COOH auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum bei unmittelbar nach einer Verkehrskontrolle gewonnenen Blutwerten geschlossen, vgl. im Einzelnen und auch zur "Daldrup-Tabelle" und deren Modifizierungen: Zwerger, zfs 2007, 551/552 f.; ders., DAR 2005, 431/434.
[117] BayVGH v. 27.3.2006, 11 CS 05.1559 unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München v. 23.8.2005 an StMI – bestätigt durch weitere Stellungnahme v. 25.10.2005 an StMI sowie "Maastricht"-Studie: Möller, BA 2006, 361; zusammenfassend: Zwerger...

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