Rz. 48

Kapitalisiert wird mit sog. Kapitalisierungstabellen. Kapitalisierungstabellen sind eine Kombination aus Sterbetafeln und Barwerttabellen. Man könnte den Rentenbarwert auch durch versicherungsmathematische Sachverständige errechnen lassen. In der Regulierungspraxis haben sich jedoch die Kapitalisierungstabellen – z.B. die Tabellen von Quirmbach/Gräfenstein/Strunk, Nehls oder von Küppersbusch – als ausreichend erwiesen, so dass diese problemlos angewandt werden können. Im Ergebnis unterscheiden sich die Tabellen nur geringfügig. Die Kapitalisierungstabellen berücksichtigen Sterbetafeln, da man nicht weiß, wann der Geschädigte sterben wird. Von daher muss man sich an dem mutmaßlichen Lebensende orientieren, das statistisch gesehen für den Geschädigten zu erwarten ist. Die Sterbetafeln werden vom Statistischen Bundesamt herausgeben und unterscheiden zwischen den Lebenserwartungen von Männern und Frauen (siehe auch www.destatis.de).

 

Praxistipp

In diesem Zusammenhang sei die kritische Anmerkung erlaubt, dass das "analoge Zeitalter" der Rechenschieber und seitenlangen (zunächst sicherlich unverständlichen) Kapitalisierungstabellen der Vergangenheit angehören sollte und man im "digitalen Zeitalter" nunmehr auf computergestützte bzw. Online-Rechenprogramme (z.B. Leonardo capitalisator 1 und 2, https://leonardo.ag/produkte/capitalisator/produkt.html) zurückgreifen sollte – allein schon aus Gründen der Vereinfachung und der leichteren sowie effizienteren Handhabung in der täglichen Praxis.

 

Rz. 49

Die Anwendung von Kapitalisierungstabellen ist vom BGH ausdrücklich akzeptiert worden. Wir verweisen in diesem Zusammenhang erneut auf die Entscheidung des BGH vom 8.1.1981 (zfs 1981, 105 ff.). Allerdings hat der BGH bezüglich der Anwendung von Kapitalisierungstabellen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich Folgendes festgehalten:

Zitat

"Indessen darf nicht übersehen werden, dass die Kapitalisierungstabellen im Wesentlichen entwickelt worden sind, um den Versicherungsgesellschaften die Errechnung der erforderlichen Rücklagen unter Berücksichtigung der für die Versichertengemeinschaft geltenden Durchschnittswerte zu ermöglichen. Soll, wie im Streitfall, eine Abfindungssumme für den Verletzten festgesetzt werden, so müssen unabdingbar dessen individuelle Verhältnisse berücksichtigt werden, soweit sie von diesen statistischen Durchschnittswerten abweichen."

Von daher muss wie bei allen Tabellen, davor gewarnt werden, diese "blind" sowie schablonenartig anzuwenden und als unverrückbares "Dogma" zu bezeichnen. Letztlich sind im Rahmen der Kapitalisierung immer die individuellen Verhältnisse des Geschädigten zu berücksichtigen und dabei ist kritisch zu überprüfen, ob im Einzelfall von den Tabellenwerten abgewichen werden kann. Bei den Tötungsfällen wurde dies bereits im Rahmen der Quoten erwähnt. Tabellenwerte sind insoweit nur Anhaltspunkte. Stets sind die individuellen Verhältnisse des Geschädigten zu berücksichtigen. Gleichwohl sind die Tabellen und Berechnungsprogramme in der Praxis ein unverzichtbares Hilfsmittel, um im Personenschaden schadensersatzrechtliche Abfindungsvergleiche zuverlässig und korrekt zu lösen.

 

Praxistipp

Wenn der Anwalt über computergestützte Rechenprogramme verfügt, macht dies im Regulierungsgespräch nicht nur einen professionellen Eindruck, sondern verschafft auch einen Informations- und somit Verhandlungsvorteil, da die Außenregulierer und Sachbearbeiter oftmals weiterhin lediglich über den "analogen Küppersbusch aus Papier" verfügen und im Rahmen des Regulierungsgesprächs die einzelnen Faktoren mit dem Taschenrechner langwierig und fehleranfällig multiplizieren müssen. Wie alle Rechenprogramme erleichtern diese dem Anwender die Arbeit ungemein. Ein großer Vorteil der Computerprogramme liegt darin, dass in Regulierungsgesprächen z.B. viel leichter die einzelnen Zinssätze mit ihren jeweiligen Ergebnissen gegenübergestellt werden können und darüber verhandelt werden kann. So lässt sich problemlos die Zahl "X" bei einem Zinssatz von 1,5 % mit der Zahl "Y" bei einem Zinssatz von 4 % und mit der Zahl "Z" bei einem Zinssatz von 5 % gegenüberstellen und verdeutlichen, welche Spannen zugunsten des Geschädigten erzielbar sind.

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