RA Knüll reicht auftragsgemäß eine Klage wegen mehrerer Ansprüche von insgesamt 8.900,00 EUR beim Landgericht ein. Nach Zustellung der Klageschrift zahlt der Beklagte 900,00 EUR. Im ersten Verhandlungstermin erörtern die Parteien die Sache mit dem Gericht und stellen einen Vertagungsantrag, da sie außergerichtliche Vergleichsverhandlungen aufnehmen wollen. Nachdem diese nicht zustande gekommen sind, beraumt das Gericht einen zweiten Verhandlungstermin an. In diesem wird die Sache noch einmal erörtert, woraufhin der Beklagte sofort weitere 1.000,00 EUR zahlt.
Danach wird streitig verhandelt und ein vom Kläger mitgebrachter Zeuge umfangreich wegen eines Teils der Klageforderung von 2.000,00 EUR vernommen und wegen eines anderen Teils von 1.200,00 EUR eine Urkunde als Beweis vorgelegt. In einem weiteren Termin wird erneut streitig verhandelt und ein weiterer Zeuge umfangreich wegen eines anderen Teils der Klageforderung von 1.800,00 EUR vernommen. Anschließend wird die Sache noch einmal erörtert, wobei das Gericht darauf hinweist, dass es die Klage in Höhe von 2.000,00 EUR nicht für schlüssig hält. Der Kläger nimmt die Klage wegen der 2.000,00 EUR zurück.
Nun erweitert der Kläger seine Klage um eine Schadenersatzforderung in Höhe von 1.100,00 EUR wegen eines inzwischen eingetretenen weiteren Schadens. Wegen dieses Schadens wird ein ausführliches Sachverständigengutachten erstellt und in einem dritten Beweistermin umfangreich von dem Sachverständigen erläutert (§ 411 Abs. 3 ZPO). Über den jetzt noch streitigen Betrag von 6.100,00 EUR ergeht nach einem erneuten Verhandlungstermin Urteil.
Wir skizzieren den Sachverhalt:
Klageschrift eingereicht (8.900,00 EUR), Erörterung im ersten Termin (8.000,00 EUR), Vertagungsantrag (8.000,00 EUR), weitere Erörterung (8.000,00 EUR), streitige Verhandlung (7.000,00 EUR), umfangreiche Beweisaufnahme mit Zeugen (2.000,00 EUR), Urkundenbeweis (1.200,00 EUR, hierfür keine Beweisgebühr), weitere streitige Verhandlung (7.000,00 EUR), weitere umfangreiche Beweisaufnahme mit Zeugen (1.800,00 EUR, nunmehr insgesamt 3.800,00 EUR), weitere Erörterung (7.000,00 EUR), Klagerücknahme (2.000,00 EUR), Klageerhöhung (1.100,00 EUR), dann erneute Verhandlung (1.100,00 EUR). Dritter umfangreicher Beweistermin mit Sachverständigen (1.100,00 EUR, nunmehr Beweisaufnahmen ohne den Urkundenbeweis wegen insgesamt 4.900,00 EUR). Jetzt noch streitig 6.100,00 EUR (= 8.900,00 EUR – 900,00 EUR – 1.000,00 EUR – 2.000,00 EUR + 1.100,00 EUR).
Aus dieser Aufzählung suchen wir nun die für die Abrechnung wichtigen Gesichtspunkte heraus. Es wurden alle Handlungen genannt, die geeignet sind, eine Gebühr auszulösen. Da aber jede Gebühr nur einmal entstehen kann, sind natürlich auch einige Punkte in dieser Aufstellung ohne Bedeutung, da die Gebühr bereits mit der ersten diesbezüglichen Handlung verdient worden ist. Um für Sie die Sache einfacher zu machen, sind die Handlungen, die für das Entstehen der Gebühren wesentlich sind, in Fettdruck dargestellt.
Für das Entstehen der Verfahrensgebühr bedeutsam sind die Einreichung der Klage und die Klageerweiterung (zusammen 10.000,00 EUR). Die Terminsgebühr ergibt sich aus dem Betrag, der im ersten Termin noch streitig war, und aus der Verhandlung über die Klageerhöhung (zusammen 9.100,00 EUR). Die zwischenzeitlichen Erniedrigungen durch aus dem Verfahren ausgeschiedene Wertteile sind ohne Bedeutung, da nachträgliche Verminderungen des Wertes die bereits verdienten Gebühren nicht wieder rückgängig machen können. Deshalb spielt auch der vor dem Urteil noch streitige Betrag keine Rolle.
Es gab drei Beweistermine mit Zeugen und Sachverständigen, die Teile des Verfahrensgegenstands von insgesamt 4.900,00 EUR betrafen. Für diese umfangreichen Beweisaufnahmen entsteht die Beweisgebühr nach Nr. 1010 VV RVG. Der Urkundenbeweis hat keine Bedeutung für die Beweisgebühr.
Jetzt kann die Vergütungsrechnung für RA Knüll erstellt werden, die im Gegensatz zu den Vorüberlegungen eigentlich ganz einfach ist:
Gegenstandswert: 10.000,00 EUR / 9.100,00 EUR / 4.900,00 EUR
1,3 |
Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR) |
798,20 EUR |
1,2 |
Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 9.100,00 EUR) |
736,80 EUR |
0,3 |
Beweisgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG, Nr. 1010 VV RVG (Wert: 4.900,00 EUR) |
100,20 EUR |
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(drei umfangreiche Beweistermine am (…),(…),(…)) |
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20 % |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
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1.655,20 EUR |
19 % |
USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG |
314,49 EUR |
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1.969,69 EUR |
Zur Sachverhaltsskizzierung siehe § 1 Rdn 107 f.